Adams Erbe (German Edition)
von Bernadettes kindlichem Lachen, und dazwischen webten sich Lenas leise Töne.
Und weil es keinen logischen Grund für den Trauzeugen gab, dieser Einladung nicht Folge zu leisten, stimmte ich zu.
An einem ungewöhnlich heißen Tag im Mai holte Egon Wredens Mercedes mich in Kressendorf ab und chauffierte mich nach Warschau. Das Ziel war nicht die Wohnung von Bubi und Anita, sondern das Haus, in dem die restliche Familie Wreden residierte. Als der Wagen vor dem Prachtbau anhielt, stürmte Bernadette mir entgegen. Neben ihr lief ein Hündchen und kläffte heiser. Ich erkannte den Mischling sofort. Lena, blass wie eh und je, wartete an der Tür und lächelte uns zu. Bernadette und ihre Worte wirbelten umher. Bubi hatte ihr das Hündchen überlassen. Es hörte auf den Namen Zweiäuglein, so wie die Heldin aus Bernadettes Lieblingsmärchen. »Zweiäuglein kann auf seinen Hinterpfoten stehen… Er kann eine Melodie bellen… Egon Horst ist riesengroß, fast so groß wie ich… Er lacht den ganzen Tag… Anita sieht noch immer so aus, als ob Egon Horst in ihr wäre… Aber das darf man ihr nicht sagen, sonst wird sie wild… Du bekommst das allerschönste Zimmer im Haus, es hat einen Balkon… Du kannst über die ganze Stadt gucken, nicht ganz, aber fast… Und heute Abend gibt es Ente… Magst du Ente? Unsere Köchin heißt Matilda, sie ist fett, aber Mama sagt, eine gute Köchin muss fett sein… Wie geht es Anton? Du hast sie dabei?«
»Bernie, lass ihn doch erst mal reinkommen.«
Bernadette griff nach meiner Hand, und die Schwestern geleiteten mich in mein Zimmer.
In der Mitte stand ein Bett aus dunklem Holz, so breit, dass drei Personen bequem darin hätten Platz finden können. Eingerahmt von vier mit Schnitzereien verzierten Pfosten, die fast bis an die Decke reichten. Über dem Kopfende prangte eine eiserne Tafel mit einer polnischen Inschrift.
»Was heißt das?«, fragte ich.
»Das war schon hier, als wir eingezogen sind.« Lena sah mich nicht an. »Wie fast alles in diesem Haus.«
Anna, sind es denn immer die gleichen Geschichten in diesem Land?
»Schau, das sind Drachen.« Bernadettes Finger fuhren über einen der Pfosten, und dann zog das Kind mich auf den Balkon.
»Dahinten ist das Ghetto, siehst du es? Und links davon ist eine von Papas Fabriken.«
Lena blieb im Zimmer stehen. Den Blick gesenkt, trat sie von einem Bein auf das andere. Gleichmäßig wie ein Pendel. Aber dann, in einer unerwarteten Bewegung, erhob sie ihren Kopf und befahl Bernie, mir ein paar Handtücher zu holen. Die kleine Schwester maulte und zottelte schließlich, gefolgt von Zweiäuglein, davon.
Starr wie zwei Drachenpfosten standen Lena und ich uns gegenüber. Erst als Bernie und das Hündchen nicht mehr zu hören waren, setzten unsere Stimmen ein.
»Geht es dir gut?«
»Nein. Ich kann nicht mehr schlafen, seitdem wir hier wohnen.« Ich legte meine Hand auf ihre Schulter. »Zu wem gehörst du, Anton?«, fragte sie und löste sich vorsichtig von mir.
Zuerst verstand ich nicht, was sie meinte.
»In Kressendorf hast du einmal zu mir gesagt, dass du schon zu jemandem gehören würdest.«
Ich konnte Bussler stöhnen hören, als ich dein Bild aus meiner Tasche zog und es Lena zeigte.
»Es war also keine Ausrede?«, sagte sie beim Betrachten der Zeichnung.
»Nein.«
»Wo ist sie?«
»Ich weiß es nicht.«
»Wie heißt sie?«
»Anna.«
Dann stolperte Bernadette mit einem Stapel Handtücher herein.
Die Schwestern ließen mich allein in dem düsteren Drachenzimmer mit Ausblick. Nachdem ich gebadet und mich umgezogen hatte, ertönte ein Glockenschlag, so finster, so laut, dass der Boden unter meinen Füßen zu vibrieren begann. Und wie ein Geisterkind, gefolgt von ihrem Geisterhündchen, tauchte Bernadette neben mir auf.
»Komm runter, das Essen ist fertig. Alle sind schon da.«
»Diese Glocke… Was…«
»Toll, oder? Wie bei Aschenputtel. Nur Lena fängt immer an zu heulen, wenn sie läutet. Papa sagt, Lena hat einen kleinen Vogel, hier oben.« Sie lachte und reichte mir die Hand. Schon auf der Treppe hörte ich Anitas Stimme, die alle anderen übertönte.
Der Tisch, ein enger Verwandter meines Drachenbettes, nahm fast den ganzen Raum ein. Bubi umarmte mich, halb bedrohlich, halb versöhnlich. Kaum hatte er mich losgelassen, landete die Pranke des Obersturmbannführers Giesel auf meiner Schulter. Frau Wreden, eine ältere Version von Lena, reichte mir ihre schmale Hand.
Und dann baute sich Anita vor mir auf. »Herr
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