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Adams Erbe (German Edition)

Adams Erbe (German Edition)

Titel: Adams Erbe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Rosenfeld
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Richter«, sagte sie und beschmierte die Wörter mit Bosheit.
    »Guten Abend.« Ich verbeugte mich so ungeschickt, dass mein Kopf einen Moment gegen ihr weiches Bauchfett prallte. Wir erröteten beide.
    »Anton, komm, ich zeig ihn dir«, rief Bubi.
    Egon Horst war wirklich wahnsinnig groß.
    »Er wächst so verdammt schnell.«
    Das Riesenbaby mit den violetten Augen sah mich an, und dann lachte es. Ein Lachen, das nicht so recht zu einem Kind passen wollte.
    »Er schreit nie, er weint nie, er lacht nur. Ein prächtiger Junge, oder?«
    »Prächtig«, gab ich zurück.
    »Kommt an den Tisch. Papa ist da.« Bernadette drängte sich zwischen uns, beugte sich zu ihrem Neffen, küsste ihn auf die Stirn und zog an meinem Ärmel.
    »Er wird sicher mal drei Meter groß.«
    Egon Wreden begrüßte mich und seine Familie ebenso freundlich wie unverbindlich. Fünf polnische Enten verströmten einen festlichen Duft. Silberne Schalen mit vertrauten und unbekannten Speisen türmten sich auf dem Tisch.
    »Für mich nur ein ganz winzig kleines Stück Brust«, sagte Anita zu dem Hausmädchen. Als das Fleisch auf ihrem Teller landete, lachte das Kind in der Wiege.
    Frau Wreden deutete auf eine Porzellanschüssel mit kleinen, kugelartigen Früchten. »Zwergfeigen, getrocknet«, sagte sie und lächelte stolz.
    Ich dachte an dich, Anna. Wo warst du, während man mir im Drachenhaus getrocknete Winzlinge servierte? Während eine Glocke läutete und lärmte? Während ein rothaariges, blasses Mädchen weinte und ein Baby lachte? Zwergfeigen, Anna, Zwergfeigen!
    Beim Essen redeten alle durcheinander. Automotoren, Hundeerziehung, Kindernahrung, das Wetter. Aber ich schwieg und konnte nichts anderes tun, als die getrockneten Kugeln anzustarren.
    Ich nahm eine Kugel, zerkaute sie und schluckte die Körnchen. Dann noch eine. Langsam und mechanisch stopfte ich eine nach der anderen in meinen Mund.
    »Anton hat alle aufgegessen«, kreischte Bernadette vergnügt. Die Giesels, die Wredens und selbst Zweiäuglein sahen mich an, als ich die letzte Frucht in meinem Mund verschwinden ließ. Beschämt hielt ich inne.
    »Aber Herr Richter, das macht doch nichts«, sagte Frau Wreden, »die ganze Speisekammer ist voll davon.« Sie rief nach dem Hausmädchen und trug ihr auf, die Schüssel erneut zu füllen. Ich wollte weinen. Straften so nicht die griechischen Götter einen ungehorsamen Menschen? Das Tellerchen ist leer, das Tellerchen ist voll, endlos. Endlos. Oder war es doch ganz anders?
    Nach dem Essen setzte ich mich mit Bubi und Kurt Giesel in das Rauchzimmer, Herr Wreden musste noch einmal in die Fabrik. Die Feigenmasse rebellierte in meinem Magen. Mit einer Zigarre und Anisschnaps versuchte ich sie zu beruhigen.
    »Da steht uns bald was bevor.« Obersturmbannführer Giesel zog an seiner Zigarre und legte seine Stirn in acht kleine Sorgenfalten.
    Ich nickte, ohne auch nur die geringste Ahnung zu haben, wovon er sprach. Tadeusz und Janusz würden später sagen, dass jeder Pole, der ein wenig Verstand besaß, ohnehin damit gerechnet hatte. Nur an mir schien das Weltgeschehen unbemerkt vorbeizuschleichen.
    Bubis Augen glänzten, als er Giesel und mir erklärte, dass es sein Ziel sei, seinen Onkel in spätestens drei Jahren überholt zu haben.
    »Ich werde mich beweisen, Kurt.« Bubi zwinkerte und lachte, aber schaffte es nicht, die ultraviolette Gier wegzublinzeln.
    »Ehrgeizig, sehr ehrgeizig, Bubi.« Der Onkel klopfte ihm auf die Schulter. »Aber trotzdem, das wird kein Spaziergang werden. Nicht wahr, Richter, was sagen Sie dazu?«
    Es erschien mir unangebracht, an dieser Stelle zu erwähnen, dass ich nicht einmal wusste, worüber die beiden redeten, deshalb lächelte ich weise, seufzte zweimal und sagte mit feierlichem Ernst: »Ein Spaziergang wird es wahrlich nicht werden.«
    »Siehst du, Bubi, hör auf den guten Richter. Ein Königreich für Ihre Informationen.«
    Die Feigen tobten in meinem Darm, und der Schmerz verzerrte mein Gesicht.
    »Ist ja gut, mein lieber Richter. Ich schweige, ich schweige.« Der Obersturmbannführer hob seine Hände entschuldigend in die Höhe. Bevor Bubi sich laut wundern konnte, platzte Anita herein. Ich war ihr fast dankbar für ihr Erscheinen.
    »Was Sie auch über mich denken mögen, meine Herren, es gelüstet mich nach einer Zigarre«, sagte sie affektiert und ließ sich in einen Sessel fallen.
    Zwischen ihren Fingern wirkte die Zigarre wie ein zierliches Holzstöckchen.
    »Anita, meine Hübsche, das sind ja geradezu

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