Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Adams Erbe (German Edition)

Adams Erbe (German Edition)

Titel: Adams Erbe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Rosenfeld
Vom Netzwerk:
Freunde mit Zigaretten.
    »Wir haben sie gefunden.«
    Wie lange hatte ich auf diesen Satz gewartet?
    »Wo ist sie?«
    »In Warschau.«
    »Sie ist tatsächlich in Warschau? Wo wohnt sie? Habt ihr eine Adresse?«
    »Sie ist in Warschauer Ghetto.«
    Ich sprang von meiner Kiste auf, betäubt und aufgewühlt zugleich. Da, wo eben noch das Nichts war, tummelten sich nun alle möglichen und unmöglichen Empfindungen.
    »Setzen«, sagte Janusz streng.
    »Nein. Nein. Nein. Ich fahre jetzt nach Warschau und hole sie.«
    »Adam, das geht nix. Man wird erschießen euch. Du kannst nix jemand rausholen. Anton nix. Adam schon gar nix.«
    »Aber ich muss zu ihr. Ich muss. Wart ihr schon mal im Ghetto? Ich ja. Da sind Kinder mit Lumpen an den Füßen. Die Leute hungern und betteln. Schmutz und Dreck. Ich werde Anna nicht da drinnen verrecken lassen.« Meine Stimme überschlug sich, und mit der linken Hand umklammerte ich die drei himmelblauen Fäden in meiner Hosentasche.
    »Setzen«, ermahnte mich Janusz.
    Sie hatten einen Plan, Anna.
    Ich erfuhr, dass beide den polnischen Widerstand unterstützten, der wiederum Verbindungen ins Ghetto hatte. Auf diesem Weg hatten sie dich gefunden.
    »Wir können sie nix befreien. Aber es gibt jemanden, der Anna holen kann aus die Ghetto raus und sie verstecken bis… bis Krieg zu Ende«, sagte Tadeusz.
    »Was bist du bereit zu tun dafür?«, fragte Janusz und senkte den Kopf.
    Am nächsten Tag gingen wir drei nicht zur Arbeit. Karol und Pawel, die inzwischen ebenfalls alles über Adam wussten, hielten die Stellung im Garten des Gouverneurs.
    Wir verließen Kressendorf auf einem mit Heu beladenen Pferdekarren. Im Gegensatz zu Janusz und Tadeusz kannte ich das Ziel dieser Reise nicht.
    Irgendwann hielt der Karren an. Ein Dorf. Schneebedeckte Felder. Ein Bauernhof. In einem der Ställe krähte ein Hahn. Janusz klopfte an die Tür des Haupthauses. Eine alte Frau, der man ansah, dass sie ihr Leben lang draußen gearbeitet hatte, öffnete. Sie musterte uns und sagte ein paar Worte, die ich nicht verstand, die aber freundlich klangen. Dann verschwand sie wieder. Zu dritt überquerten wir den Hof. Eine Scheune. Die Leiter hoch, auf einen Dachboden. Stroh, ballenweise. In der hintersten Ecke, verdeckt durch einen Strohhaufen, fast unsichtbar, eine Tür. Januszs Finger trommelten einen Rhythmus. Die Tür öffnete sich.
    »Ah, ihr seid gekommen«, sagte ein Mann Anfang vierzig mit einem kugelrunden Kopf und nervösen Augenlidern.
    Wir traten ein. Zwei unerwartete Zimmer. Möbliert. Der Boden war mit Teppichen ausgelegt, und auch an den Wänden hingen Teppiche. Der Mann schloss die Tür hinter uns. Er bückte sich, griff nach einer durchsichtigen Schnur und zog daran. Draußen bewegte sich etwas, ein gedämpftes Rumms war zu hören.
    »Stroh«, erklärte er, als er meine Verwirrung bemerkte. »Tarnt den Eingang.«
    Ich nickte, als ob mir nun alles klar wäre. Dabei war die Sache mit der Schnur das Einzige, was ich mir auch hätte denken können. Aber wo war ich? Und was sollte ich hier?
    Der Mann hieß Abraham. Sein Deutsch hatte eine leicht österreichische Färbung, die seinen Worten etwas Süßliches verlieh. Jiddische Klänge mischten sich hinein.
    Er lächelte. »Schejn, schejn, Adam. Kommen wir zum Geschäft. Ich möchte Ihnen einen Handel vorschlagen.«
    Meine Wimpern begannen genauso hektisch zu flattern wie die seinen, aber ein Blick zu Tadeusz beruhigte mich, es hatte wohl alles seine Richtigkeit.
    Abrahams Mutter, die er liebevoll »meine hipsche Máme« nannte, befand sich ebenfalls im Warschauer Ghetto. Er hatte sich bemüht, sie herauszubekommen, aber zweierlei hatte das verunmöglicht. Erstens: Es war ihm bisher nicht gelungen, ein sicheres Versteck für seine Máme zu finden. »Sie ist… Wie soll ich sagen? Ein semitisches Nilpferd. Nicht zu übersehen. Groß und… schrecklich jüdisch. Mit so was tun sich die Leute schwer, aber zur Not würde ich sie hier einquartieren, würde ich sie unter meinem Bett verstecken.«
    Der zweite und entscheidende Grund war die strikte Weigerung der Nilpferdfrau, sich überhaupt zu verstecken.
    »Máme sagt, Gott prüft sie. Ich habe gesagt: Máme, es ist nicht Gott, es sind die Dajtschn. Alles habe ich versucht, alles, aber sie will nicht. Sie will einfach nicht. Prüfung? Haben Sie so was schon gehört, Adam?«
    »Aber was hat das mit meiner Anna zu tun?«
    Abrahams Stimme verlor schlagartig all ihren säuseligen Charme. »Tadeusz hat mir Annas Bild

Weitere Kostenlose Bücher