Adams Erbe (German Edition)
Mir persönlich sind diese Südländer ja fremd, aber der Führer wird schon wissen, was er da tut… Na ja, Mussolini… Also, man muss Hitler da schon vertrauen. Nicht wahr? Ach Herr Richter, alle anständigen Menschen verlassen mein Haus. Zuerst der Sturmscharführer Giesel und jetzt Sie.«
»Frau Kufner, Sie halten hier die Stellung für uns anständige Menschen«, sagte ich und legte die Schlüssel in ihre Hand.
»Erika, nennen Sie mich doch bitte Erika, und kommen Sie bald wieder.«
Tadeusz begleitete mich nach Warschau. Wir saßen im selben Zug, aber in getrennten Abteilen. Noch war ich Anton Richter, versehen mit arischen Papieren und einem Freibrief des Generalgouverneurs, der mich unbehelligt reisen ließ.
Während der Fahrt wickelte ich mich in die Jacke ein, die mich beschützen sollte, und versuchte zu schlafen.
Wo warst du wohl, Anna, als ich in diesem Zug saß? Hatten sie dich schon aus dem Ghetto geholt und dir deine Freiheit zurückgegeben?
Eine Wohnung in Warschau. Sie gehörte einer jungen Frau namens Heli. Tadeusz, Heli, zwei Frauen, drei Männer saßen am Tisch, und der Zigarettenrauch legte einen sanften, bläulichen Schleier über Anton Richters letzten Abend.
Antons Papiere verschwanden, und ich wurde wieder Adam, nur Adam. Ich bemühte mich, aufmerksam zuzuhören, als die Tafelrunde mir erklärte, wie und wann ich das Ghetto betreten würde. Aber meine Gedanken rannten wild durcheinander. Rannten zu dir, rannten nach Berlin und zurück, galoppierten durch das Drachenhaus, rasten kreuz und quer durch den Garten des Gouverneurs, blickten von hoch oben in Busslers Grab. Und dann war es, als ob sich tausend Türen gleichzeitig schließen würden, und ich wusste nicht, ob ich draußen oder drinnen stand.
Einer nach dem anderen verließ die Wohnung, bis nur noch Tadeusz, Heli und ich übrig waren.
Ein gnädiger Gott schenkte mir einen traumlosen Schlaf. Es war meine letzte Nacht in Freiheit, Anna, und ich schlief wie ein Stein.
Tadeusz weckte mich am nächsten Morgen. Es hieß Abschied nehmen von meinem polnischen Kollegen, von meinem polnischen Freund.
»Adam, du noch kannst umkehren«, sagte er, obwohl er wusste, dass ich mich längst entschieden hatte.
Heli zog ihren Mantel an. Einer der Männer, die auch am Vorabend da gewesen waren, wartete unten im Auto.
Wir fuhren durch Warschau. Es fühlte sich an, als ob es die Stadt wäre, die an uns vorbeiziehen würde, und nicht wir, die sich vorwärtsbewegten. Mein Koffer neben mir verströmte einen erdigen Geruch, ein Hauch von Wirklichkeit auf dieser letzten Etappe meiner Reise.
Wir hielten in der Nähe des Stadtgerichts, eines Gebäudes, das man sowohl vom Ghetto als auch von der arischen Seite aus betreten konnte. Ein schwerbewachtes Mauseloch. Heli trug mein Gepäck, sie lächelte. Augenkontakt mit zwei deutschen Polizisten. Neben ihnen stand ein Mitglied der Tafelrunde.
Wir waren drinnen. Hinter uns ein polnischer Polizist, der dritte Mann der letzen Nacht. Heli und ich liefen einen Gang entlang. Eine Tür öffnete sich. Eine Sekretärin mit einem Stapel Unterlagen im Arm kreuzte unseren Weg. Auch ihr Gesicht kannte ich bereits. Papiere wechselten von ihren in Helis Hände und landeten in meiner Hosentasche.
Und dann stand ich im Ghetto. An meinem Arm die Sternenbinde, in meiner Hand der Koffer. Heli war fort. Ihr Lächeln flackerte noch auf meiner Netzhaut.
Aus einer Gruppe jüdischer Hilfspolizisten löste sich ein Mann. Er stellte sich als Rafal vor. Sein Name war gestern mehrmals gefallen, ich hätte besser zuhören sollen.
In meiner neuen Welt herrschte reges Treiben. Jeder schien ein felsenfestes Ziel zu haben. Doch auf diesen grauen, verstopften Straßen gab es nur wenig, was man felsenfest nennen konnte. Atemzüge und Momente reihten sich willkürlich aneinander.
Rafal hatte etwas von einem Turnvater, vielleicht war es sein beschwingter Schritt. Rechts, links, rechts und dann ein kleiner Hüpfer. Er redete schnell und zog dabei beide Augenbrauen hoch, als ob ihn der Klang seiner eigenen Stimme in ständiges Erstaunen versetzte. Sein Blick war gehetzt.
»Sie haben Glück. Das Zimmer ist wirklich schön. Und Ruth, ich meine Frau Blemmer. Sie ist eine ganz einzigartige… interessante Persönlichkeit.« Seine Augen huschten über den Bordstein.
»Wer ist Frau Blemmer?«
»Abrahams Mutter… Und der Herr Professor Menden ist ein hochgebildeter Mann. Beeindruckend. Er hat sogar ein Buch geschrieben über… ja, ich glaube
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