Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Adams Erbe (German Edition)

Adams Erbe (German Edition)

Titel: Adams Erbe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Rosenfeld
Vom Netzwerk:
fing an zu zittern.
    »Bussler, was machen Ihre Leute mit den jüdischen Kindern und Frauen im Osten?«
    »Frag nicht, Adam, bitte, frag nicht.« Er schloss die Augen, öffnete sie sofort wieder. Tränen.
    Mit einer mühevollen Bewegung, die schon beim Zusehen schmerzte, fischte er einen Zettel unter seinem Kissen hervor. Das Bild von Edda Klingmann.
    »Sie kam immer vor dem Führer. Zuerst sie, dann der Führer«, sagte er und hielt seine Handfläche schützend über das Gesicht meiner Großmutter.
    »Bussler, für so eine Bemerkung hätte Edda Sie ausgelacht.«
    »Ich weiß. Ich weiß… Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht an sie denke. Sie hätte fliehen sollen…«
    »Was reden Sie da? Sie ist in England. Sie ist in Sicherheit. Wahrscheinlich sitzt sie in diesem Moment auf einem Dachboden in London und trinkt einen Asbach auf uns.«
    Er lächelte. »Das wäre schön… wie ein Märchen, aber die gibt es heutzutage nicht mehr… Und wenn sie nicht gestorben sind… Ach Adam, sie sterben alle.«
    Sein Körper krampfte sich zusammen, und ich wollte nach dem Arzt rufen. Aber Julian Bussler hielt mich zurück.
    »Wenn ich sie angesehen habe, dann sind Millionen Vögel in mir zum Himmel gestiegen. In mir…«
    Ich blieb noch bis zur Beerdigung in Krakau. Packte die wenigen Dinge, die Bussler gehört hatten, zusammen, die Geige, die Kiste mit den Fotos der fremden Familie, ein paar Anziehsachen. Ich suchte nach irgendwelchen Hinweisen, die mir helfen würden, dich zu finden, Anna. Aber da war nichts.
    Bussler wurde in seiner Uniform begraben, in die Innentasche hatte ich Eddas Bild gesteckt. Und als die letzte Schippe Erde auf den Sarg meines ehemaligen Geigenlehrers niederprasselte, war ich allein. Zerrissen das Seil, das Adam Cohen gehalten hatte. Zerrissen wie der dünne Faden, der für einen kurzen Augenblick zu Lenas blassen Händen gelaufen war. Im besetzten Polen gab es keinen mehr, der Adam kannte.
    Hört man auf zu existieren, Anna, wenn niemand mehr weiß, wer man eigentlich ist? Verschwinden die Geschichten, wenn keiner sie mehr erzählt?
    Deshalb gibt es diese Seiten, Anna, der einzige Ort, an dem mein Name neben deinem steht.
    Anton Richter, dieser fadenscheinige Rosenzüchter, konnte seine Niedergeschlagenheit nicht verbergen.
    »Anton, wo dein Kopf?«, fragte Tadeusz, als ich zwischen den bereits verblühten Rosen kniete und Unkraut jätete. »Du alles tot machen.«
    Ich entschuldigte mich bei meinem Kollegen und sah erst jetzt, was ich angerichtet hatte. Erdklumpen, Rosensträucher, Gras und ein paar wenige der unerwünschten Pflänzchen lagen auf einem Haufen beisammen.
    »Was ist los?«
    Es war die Milde in seinen Augen, die mich sprechen ließ. Etwa ein Monat war seit Busslers Tod vergangen.
    Vier lange Wochen, in denen ich meine Gedanken ordnete und immer wieder neu ordnete.
    Es dauerte ein paar Stunden, bis ich ihm die Geschichte von Adam und dir erzählt hatte. Er unterbrach mich immer wieder, fragte nach, wollte sichergehen, dass er alles richtig verstanden hatte. Und während ich redete, hallte mir die Stimme meines Sturmbannführers in den Ohren: ›Du darfst niemandem trauen. Du darfst niemandem trauen.‹
    »Ich weiß nicht, wo sie ist, und ich weiß nicht, was ich jetzt tun soll.« So lautete das vorläufige Ende meiner Geschichte.
    »Adam, willst du mich glauben? Dann ich kann vielleicht helfen.«
    »Wie willst du mir helfen?«
    Was erwartete ich? Dass er mir gleich einen ausgeklügelten Plan präsentieren würde?
    »Du müssen bisschen geduldig sein.«
    »Gut.« Wieder dachte ich an Bussler.
    »Ich werde dir sagen, wenn Zeit da.« Dann bat er mich, ihm alles zu sagen, was ich über dich und deine Familie wusste. Er machte sich Notizen und malte ein zweites Bild von dir.
    »Bussler meinte, dass sie vielleicht in Warschau sein könnte. Er sagte, eine Spur führt nach Warschau.«
    Tadeusz faltete seine Zettel zusammen und klopfte mir auf die Schulter. »Du bist weit gekommen, Adam aus Paradies.«
    In den nächsten Wochen ließ sich Tadeusz nichts anmerken, und manchmal beschlich mich das Gefühl, dass ich mir unser Gespräch nur eingebildet hatte. Aber dann, im Vorbeigehen, flüsterte er in mein Ohr: »Bisschen warten.«
    Als Augusts Truppen schon nicht mehr ganz so zügig durch Russland marschierten und der Winter den Herbst ablöste, bekam ich unerwarteten Besuch. Bubi Giesel.
    Der Kufnerin lief beinahe der Sabber aus dem Mund, als sie den schönen jungen Mann zu seiner neuerlichen

Weitere Kostenlose Bücher