Adams Pech, die Welt zu retten
selbst enthielt jeweils ein paar Zeilen mit persönlichen Daten zu dem entsprechenden Fall und einen zweiten Verweis auf Juutilainens Pfändungsdo-kumente. Aatami hatte eine Kartei vor sich, die Juutilainen über seine Kunden angelegt hatte, und speziell über jene, die aus irgendeinem Grunde aus dem Leben geschieden waren. Manch einer sammelt Brief-marken, ein anderer alte Münzen. Juutilainen führte eine Kartei über Tote.
Im letzten Herbst war ein Kunde Juutilainens beerdigt worden, der von Beruf Dachblechschmied gewesen war. Der Tote wurde mit dem folgenden rührenden Vers verabschiedet:
Vorüber sind die Leidensstunden,
Du schließt die müden Augen zu.
Doch unser Schmerz ist nie verwunden,
in unserem Herzen bist nur du.
Leena und die Kinder
Da fand sich ein deutlicher Hinweis auf Selbstmord und den Schmerz, den die Hinterbliebenen empfanden. Personen, die eine Zwangsvollstreckung erlebt hatten, wurden unter Umständen auch Opfer eines überraschenden Unfalls, zumindest der Gedenkvers für einen Speditionsunternehmer sprach von einem jähen Tod:
Der Mensch kennt nicht den Weg, den er geht,
nicht den Tag, da seine letzte Stunde schlägt.
Eine ganz eigene, unheimliche Dimension verlieh der Sammlung die Tatsache, dass offenbar sämtliche der hier archivierten Kunden Juutilainens entweder Selbstmord begangen hatten oder anderweitig gewaltsam zu Tode gekommen waren. Da gab es etwa den unter seiner Schuldenlast zusammengebrochenen Taxifahrer, dessen Witwe ihm nach seinem Selbstmord als letzten Gruß Aleksis Kivis schöne Zeile mitgegeben hatte:
Der Mantel des Todes ein Mantel des Friedens ist,
fern sind Feindschaft, Zorn und Zwist,
fern die trostlose Welt.
Die Karten waren jeweils schon vor dem Tod des Betreffenden angelegt worden, das ließ sich aus den kurzen Notizen schließen, die gewissermaßen Prognosen waren: »Üblicher Fall«, »Wird sich kaum retten«, »Schlimme Sache«, »Scheitert bald«, »Keine Hoffnung mehr« und so weiter. Wenn dann eine hoffnungslos überschuldete Person endlich Selbstmord beging, gab es in der Kartei einen lakonischen Vermerk. »H. Virtanen, wegen Selbstmord aus dem Kundenverzeichnis gestrichen.«
Juutilainen hatte den Kampf seiner Kunden mit Bedauern und unter Qualen des Mitgefühls verfolgt, das ging aus seinen Notizen hervor. Er hatte für die Witwen Blumen gekauft und sie anonym ins Trauerhaus geschickt, hatte häufig auch das Grab besucht und dort geharkt. Die kurzen, tagebuchähnlichen Aufzeichnun-gen verrieten, dass Stadtvogt Juutilainen unter der Pein des Büttels litt, buchstäblich Trauerarbeit leistete. Aatami sagte sich, dass das Geld wohl eine himmlische Macht war, die Armut übte dagegen eine tödliche Macht aus.
Auf dem Tisch lagen außerdem Kopien von Juutilainens Schul-und Ausbildungszeugnissen, auch Auszüge aus seinem Lebenslauf. Bestimmt litt er darunter, die Menschen scheitern zu sehen, und versuchte den Arbeitsplatz zu wechseln, aber die Rezession zwang ihn, in seinem Job weiterzumachen.
Aatami suchte nach seinem eigenen Namen in der Kartei und fand ihn mühelos. Als korrekter Mann hatte Juutilainen auch von ihm eine Karteikarte angelegt, schonungslos konfrontierte sie Aatami mit seiner Situation. Neben den Angaben zur Person gab es eine kurze Charakteristik: »Hat Unternehmungsgeist, ist gutgläu-big. Bedauernswerter Fall. Hängt realitätsfernen Phan-tasien und Hoffnungen nach.« In der unteren Ecke der Karte hatte Juutilainen erst unlängst die schicksals-schweren Worte notiert: »Scheitert vermutlich vor dem Sommer«.
Aatami verstaute die Mappe und das Archiv wieder in der Schreibtischschublade. Er kam zu dem Schluss, dass er den Aufenthalt beim Gerichtsvollzieher schnellstmöglich beenden musste, in so todesschwange-rer Atmosphäre zu hausen war nicht gesund. Noch fehlte ja seine Todesanzeige in der Sammelmappe.
Zehn
Assessorin Eeva Kontupohja schritt zur Tat. Sie bat ihre Sekretärin, eine Reinigungsfirma anzurufen und dafür zu sorgen, dass in der Wohnung in der Iso Roobertinkatu noch am selben Tag ein Großputz stattfand. Sie selbst marschierte in ein Möbelgeschäft, kaufte das erstbeste Wasserbett und verlangte, dass es am folgenden Tag an ihre Adresse geliefert würde. Da hätte Aatami Rymättylä dann künftig sein passendes wogen-des Paradies.
Sie erwarb auch ein paar Spiegel, Lampen und andere Kleinigkeiten und trug der Sekretärin auf, diese gemeinsam mit den Reinigungskräften an Ort und Stelle
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