Adams Pech, die Welt zu retten
Rymättylä fertig wäre und die Patente weltweit gelten würden. Er vermutete, dass er Chancen hatte, einer der reichsten Männer der Welt zu werden. Was würde wohl der Sultan von Brunei dazu sagen?
Doch erst mal befand er sich auf einem verlassenen sibirischen Nebengleis. Unter diesen Bedingungen hatte Geld keine Bedeutung.
Als Aatami seinen von der Explosion verrußten Koffer durchsuchte, entdeckte er, dass Eeva ihm auch noch andere Lektüre als nur Lizenzverträge eingepackt hatte. Höchst interessant war das Werk »Reisetruhe – finnische Forschungsreisende«, herausgegeben von der Finnischen Literaturgesellschaft. Die finnischen Volkskundler und Sprachforscher hatten überraschend viele Exkursi-onen nach Russland unternommen, im Verlaufe von mehreren hundert Jahren. Zum Beispiel waren finnische Karoliner nach der Schlacht von Poltawa hier als Kriegsgefangene gewesen. Den finnischen Wissenschaft-lern waren anscheinend Tobolsk wie auch Tjumen bestens vertraut gewesen. Matias Aleksanteri Castrén zum Beispiel hatte, neben vielen anderen, im 19. Jahrhundert diese Gegend besucht. Auch Mannerheims Asien-reise hatte hier vorbeigeführt. Aatami war nicht der erste Finne in Nordwest-Sibirien und würde auch nicht der letzte sein. Er fand in seinem Koffer noch ein weiteres Werk: »Im Land der Ugrier« von Marianne Flinckenberg-Gluschkoff und Nikolai Garin, das gerade erst erschienen war und ebenfalls von dieser Gegend handelte. In den Büchern hätte Aatami lange schmökern, hätte mit der Milchkönigin im Schlafwagen liegen mögen, aber der Hunger machte, wie allen anderen, auch ihm zu schaffen. Richtige Nahrung bekam eigentlich nur das Neuge-borene, das an der Brust seiner Mutter saugte.
Aatami wies seine Männer an, Birkenstämme von dem Stapel zu benutzen, um damit etwa einen Kilometer vor dem Waggon eine Sperre zu errichten, die, so glaubte er, jeden Zug stoppen würde. Nach getaner Arbeit rissen die Männer sicherheitshalber Rindenstücke ab und entzün-deten mit ihrer Hilfe das aufgestapelte Holz.
Es war bereits der vierte Morgen auf dem einsamen Nebengleis. Aus Richtung Tobolsk näherte sich ein langer Güterzug, der Lokführer erkannte die verlassenen Reisenden wieder und schwenkte im Vorbeifahren fröh-lich grüßend die Hand. Seinen Zug stoppte er jedoch nicht.
Erst ein zweiter Güterzug, der aus Richtung Tjumen heranbrauste, war gezwungen anzuhalten. Die Lok stieß in den brennenden Holzhaufen, dass die Funken nach allen Seiten stoben.
Aatami stellte die Weiche um, sodass der Zug aufs Nebengleis gelenkt wurde. Die Reisenden stiegen in ihren Salonwagen und konnten endlich ihre Fahrt fort-setzen. Der Güterzug schob den internationalen Reisezugwagen vor sich her. Sehr schnell wagte der Lokführer nicht zu fahren, aber nach ein paar Stunden war schließlich Tobolsk erreicht. Dort nahm eine Rangierlok den Unglückswaggon ins Schlepptau. Der verwundete Diener wurde ins Krankenhaus gebracht.
Der Bahnhofsvorsteher von Tobolsk fragte verwundert, wo der internationale Waggon so lange gesteckt hatte. Man hatte in Tobolsk ein paar Gerüchte gehört, hatte auch eine Suche initiiert und schließlich ange-nommen, dass der Waggon in Richtung Surgut verschwunden war. Der Bahnhofsvorsteher fand das Geschehene sehr bedauerlich und betonte, dass für ge-wöhnlich auf den Schienensträngen Russlands keine Reisezugwagen, sondern hauptsächlich Güterzüge verschwanden. Für diesen Schwund wiederum gab es eine natürliche Erklärung: Die transportierten Güter und Rohstoffe waren wertvoll, allzu viele Menschen gierten danach. Statistisch ließ sich errechnen, dass zwei Prozent der russischen Güterzüge, auf jeden Fall aber viele einzelne Wagen, auf unbekannten Bahnhöfen landeten.
»Komisch, dass gerade Sie sich verirrt haben, obwohl doch in Ihrem Waggon nichts wirklich Wertvolles zu finden gewesen sein dürfte wie zum Beispiel Getreide, Öl oder flüssiges Erdgas«, äußerte der Beamte verwundert.
Im Hotel Sever in Tobolsk veranstalteten die Reisenden eine kleine Feier, als alles so weit geregelt war. Den Anlass dafür gab der kleine Belgier, der unterwegs geboren worden war und der bei dieser Gelegenheit getauft wurde. Wie sich zeigte, war der Kleine ein uneheliches Kind, wieder einmal war ein Kind ohne Vater zur Welt gekommen. Die junge Mutter war von robuster Natur, sie hätte notfalls für fünf Babys genug Milch gehabt. In dieser Hinsicht war alles in Ordnung, aber das Mädchen war sehr arm, wie es all ihre
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