Adelheid von Lare: Historischer Roman um die Stifterin des Klosters Walkenried (German Edition)
Dämmerung war bereits weit fortgeschritten, als der Tross, begrüßt vom freudigen Geschrei des Gesindes, auf Lare eintraf. Während die Ritter als Sieger gebührend gefeiert wurden, brachten einige Knechte die Verletzten auf bereitgestellten Tragen sofort in die Kemenate, die wieder einmal als Krankenzimmer diente.
Magdalena nahm sich nicht die Zeit, ihren Mann und ihren Sohn zu begrüßen. Sie ließ zusätzliche Lampen bringen, damit sie bei der Versorgung der Wunden besser sehen konnte. Adele und Selina gingen ihr zur Hand. Magdalenas Tochter entwickelte unter der sorgfältigen Anleitung ihrer Mutter erstaunliche Fähigkeiten. Ähnlich wie ihre Lehrmeisterin zeigte sie ein deutliches Gespür für Krankheitsursachen und Heilmöglichkeiten, was besonders für diejenigen verblüffend war, die Magdalena nicht als ähnlich begabtes Kind gekannt hatten. Adelheid fragte sich manchmal im Stillen, ob Selina wohl auch die seherischen Fähigkeiten ihrer Mutter geerbt hatte, doch sie vermied es, Magdalena darauf anzusprechen. Früher oder später offenbarte Selina sich gewiss von selbst.
Nachdem sie Folkmar gründlich untersucht und gewaschen hatten, blickte Adelheid ihre ehemalige Zofe fragend an. Doch diese sah so ratlos wie selten aus und zuckte mit den Schultern. Adelheid durchfuhr es siedend heiß, denn wie bisher auch hatte sie alle Hoffnungen in Magdalenas Künste gesetzt.
„Was ist mit ihm? Sag etwas!“, fuhr sie die Heilerin beinahe barsch an.
„Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. An seinem Körper scheint alles in Ordnung. Sicher hat sein Schädel eine starke Prellung, das Gehirn wird vielleicht etwas geschwollen sein. Doch normalerweise müsste er langsam zu sich kommen. Mir scheint fast, … er will nicht aufwachen!“
„Er will nicht!? Was soll das heißen?“ Adelheid glaubte ihren Ohren nicht zu trauen.
„Er ist nicht stark körperlich verletzt, aber wahrscheinlich seelisch! Der Schock war zu groß. Ihm kann nur Zuwendung helfen! Versucht Ihr es, ich kann nichts mehr für ihn tun.“
In ihrer selbstbewussten Art, die keinen Widerspruch akzeptieren würde, wandte sie sich um und ging an das Lager des Waffenschmiedes, um ihm die Pfeilspitze aus der Schulter zu entfernen. Selina hatte die Wunde bereits freigelegt und dem Mann einen schmerzstillenden Trank eingeflößt.
Adelheid setzte sich grübelnd an Folkmars Lager. Als Helisende und Beringar kamen, um nach ihrem Vater zu schauen, hatte sie sich einen Plan zurechtgelegt.
„Adele wird morgen früh mit ihrem Mann und ihrem Schwiegervater nach dem Straußberg reiten. Wenn Magdalena zur Betreuung der Verletzten hierbleibt, muss dort jemand nach dem Rechten sehen. Um die Sicherheit von Lare kann Ludwig sich allein kümmern. Helisende, du wirst mit Beringar und mir im Wechsel hier am Lager eures Vaters sitzen. Verdreh nicht die Augen, das sind wir ihm schuldig! Wir werden ihn keinen Moment aus den Augen lassen!“
Während Beringar zustimmend nickte, murmelte Helisende eine mürrische Entgegnung, die allerdings im schlecht unterdrückten Aufschrei des Waffenschmiedes unterging.
Als sie sich umwandten, hielt Magdalena triumphierend eine blutverschmierte Metallspitze mit hässlichen Widerhaken in die Höhe. „Ich hab sie! Jetzt ist es überstanden! Selina, säubere die Wunde gewissenhaft und verbinde sie!“ Sie drehte die Spitze im Licht einer großen Flamme, die neben dem Lager in einer eisernen Schüssel loderte, und schnupperte daran. „Vergiftet war sie zum Glück nicht! In zwei, drei Tagen seid Ihr wieder auf den Beinen!“
Ansgar, dem eine helfende Magd die Schweißperlen von der Stirn wischte, schloss dankbar und erschöpft die Augen. Die Heilerin säuberte sich über einem Becken gründlich die Hände, schob mechanisch eine schwarze Haarsträhne unter das Gebände zurück und ging weiter zum Lager des Schieläugigen, der sie mit bangen Blicken erwartete. Den Verband hatte ihm noch niemand abgenommen, zu groß war die Gefahr, dass ein Mann mit einer solchen Verletzung verblutete. Aber den schmerzstillenden Tee aus Weidenrinde hatte er bereits getrunken. Magdalena arbeitete schnell und ohne dem Verletzten Zeit zum Nachdenken zu geben. Sie entfernte den Verband und säuberte mit geschickten Handgriffen die Wunde. Nachdem sie die Haut über dem Stumpf vernäht hatte, trug sie eine heilende Salbe auf und wickelte saubere Leinentücher fest herum. Der Ritter hatte den Kopf zurückgelegt und gab keinen Laut von sich. Besorgt warf die
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