Adelheid von Lare: Historischer Roman um die Stifterin des Klosters Walkenried (German Edition)
ordentlichen und sauberen Zustand, so viel hatte sie schon bei der Anreise erkennen können. Doch lebten die Männer in den weißen Kutten überaus spartanisch und karg.
Während Adelheid dem Abt ohne viele Umschweife das Ziel ihres Besuches erläuterte und die Rolle mit Bruder Bernhards Zeichnung aus ihrem Mantel zog, fiel Helisendes Blick auf den einzigen Gegenstand in diesem Raum, der ein wenig Luxus und Lebensfreude andeutete. Im untersten Fach des Regals, halb verdeckt durch den Schreibtisch und die helle Kutte des Mönches, geradeso, als solle es nicht entdeckt werden, lugte ein Schachspiel hervor. Helisendes wachsame Augen hatten es erspäht und wurden groß. Sie war eine leidenschaftliche und talentierte Schachspielerin, es fehlte ihr jedoch an würdigen Gegnern, seitdem ihr Vater und Beringar die Burg verlassen hatten. Ludwig nahm sich selten Zeit und ihre Mutter war keine wirkliche Rivalin. Sie war viel zu ungeduldig und das Mädchen beschlich oft der Verdacht, sie spiele eigens so schlecht, damit die Partie bald beendet sein möge.
Sie stand auf und näherte sich dem Brett, auf dem die Figuren bereits aufgestellt waren, so dass jederzeit ein Spiel beginnen konnte.
„Darf ich?“, fragte sie vorsichtig und deutete nach unten.
Zwischen den hellen Augenbrauen des Abtes bildete sich eine steile Falte, als er erkannte, worauf sie es abgesehen hatte. Doch dann schien er sich zu besinnen und nickte einfach nur, wobei er sich bemühte, eine gleichgültige Miene zur Schau zu stellen. Adelheid musterte ihn neugierig.
Behutsam hob Helisende das schwere Brett auf und setzte sich damit zurück auf die Bank. Es war aus einer sehr harten Holzart gefertigt, die sie nicht kannte. Die dunklen Felder hatte ein begabter Handwerker sauber in helles Holz eingelegt und das ganze Geviert mit einem prunkvoll geschnitzten erhabenen Rand versehen. Das Erstaunlichste waren jedoch die Figuren. Die Bauern marschierten als Fußsoldaten daher, so fein und detailliert gearbeitet, dass Helisende glaubte, sie würden jeden Augenblick blank ziehen und mit wildem Kriegsgeschrei losstürmen. Die dunklen Figuren hatte der Schnitzer wie Saraszenen dargestellt, sie trugen Krummsäbel an den Seiten und weite Pluderhosen umspielten ihre Beine, die in lustigen Schnabelschuhen steckten. Auf den Eckfeldern reckten Elefanten mit prächtigem Zaumzeug ihre Rüssel in die Luft, neben ihnen standen feurige Pferde mit Elfenbeinsätteln und kleinen funkelnden Steinen an den Steigbügeln. Der Läufer stellte einen Bischof dar, der sich mit düsterer Miene schwer auf seinen Stab stützte. König und Königin war ebenfalls überaus reich und prächtig gekleidet, wobei die Parteien erneut in Morgenland und Abendland getrennt waren. Während die weißen Figuren freundlich lächelten, blickten die schwarzen Gesichter mit Unheil verkündenden Mienen über das Spielfeld.
„Ihr spielt Schach?“, hörte Helisende ihre Mutter fragen.
„Oh ja, soweit es meine Zeit erlaubt. Dieses Spiel schenkte mir mein Taufpate, der Bruder meiner Mutter.“ Es klang, als müsse er sich wegen dieses wenig spartanischen Kleinods entschuldigen. „Er brachte es vom Heiligen Krieg aus Jerusalem mit nach Hause.“
„Wie wunderschön es ist!“, schwärmte Helisende mit leuchtenden Augen und strich mit liebevollen Fingern über die glatte weiße Suckenie der abendländischen Königin.
„Spielt Ihr gegen mich? Ich fordere Euch heraus!“ In Blick und Stimme war die Furcht, er könne ihr diese Bitte abschlagen. Adelheid sah, dass der Abt mit sich rang und wollte Helisende bereits vorsichtig bedeuten, nicht darauf zu dringen, doch da stimmte der Mönch auch schon zu.
„Würdet Ihr mir gestatten, das Kloster anzusehen, während Ihr spielt?“, beeilte sich Adelheid zu fragen. Sie verspürte keine Lust, Zeuge dieses langatmigen Kampfes zu werden, während sie voll neugieriger Unruhe das Gefühl hatte, auf einem Ameisenhaufen zu sitzen.
Bruder Robert griff nach einer kleinen Glocke und läutete, worauf sich fast augenblicklich die Tür öffnete und ein junger Laienbruder den Kopf zur Tür hereinsteckte. Er hatte eine große Lücke zwischen den Vorderzähnen, was beim Sprechen ein leichtes Lispeln verursachte.
„Was wünscht Ihr, Bruder Abt?“
„Bring unseren Gast in das Skriptorium, der dort anwesende Bruder soll Frau Adelheid durch das Kloster führen. Und du kommst sofort wieder hierher.“ Ein schelmisches Lächeln lag auf dem Gesicht des Abtes, als er sie mit einem
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