Adelheid von Lare: Historischer Roman um die Stifterin des Klosters Walkenried (German Edition)
ab.
„Wir dürfen ihn hier nicht liegen lassen! Wir werden ihn auf Lare begraben.“
Der Mönch nahm sie erneut auf seine Arme und stieg weiter nach oben. „Er ist nicht der Einzige, den wir begraben müssen.“
„Wer ist noch umgekommen?“ Ein banges Zittern lag in ihrer Stimme.
„Bruder Johannes, Gott sei ihm gnädig.“ Er war in Versuchung ein Kreuz zu schlagen, merkte aber noch rechtzeitig, dass er beide Hände brauchte, um die Frau zu halten. Verlegen redete er weiter: „Und Bruder Gisbert ist verletzt, aber er wird es schaffen, wenn der Pfeil, der ihm in die Schulter drang, nicht vergiftet war …“
„Ich kann ihn mir ansehen, ich verstehe ein wenig von Kräutern und von Pfeilgiften.“
Gebe Gott, dass wir bald von diesem unfreundlichen Ort verschwinden können.“
In nur kurzer Zeit hatten die Männer die Verletzten auf einem der Wagen untergebracht, die das Gepäck der Mönche transportierten. Auf den Getreidesäcken war ein einigermaßen bequemes Lager entstanden. Adelheid saß zwischen Helisende und Bruder Gisbert, um nach beiden sehen zu können. Das Mädchen war noch immer ohne Bewusstsein, atmete jedoch ruhig und gleichmäßig. Der Mönch hatte starke Schmerzen in der Schulter und stöhnte bei jeder Bewegung des Wagens herzzerreißend. Der Pfeil war zwar nicht vergiftet gewesen, aber das grob geschnitzte Geschoss war tief ins Fleisch eingedrungen und hatte beim Herausziehen eine große und stark blutende Wunde hinterlassen.
Adelheid verbot sich jeden Gedanken an ihren Fuß. Bruder Benedikt hatte ihn flüchtig betastet und ihr einen verstohlenen, aber sehr besorgten Blick zugeworfen. Sie war realistisch genug, um seinem beruhigenden Gemurmel nicht zu trauen. Sie hatte schon viele Knochenbrüche in ihrem Leben gesehen und sie wusste, dass dieser kein einfacher war. Wenn Magdalena die Knochen nicht richten konnte, würde sie den Fuß nie wieder richtig gebrauchen können. Die Schmerzen wurden jetzt, wo der Schock nachließ, nahezu unerträglich. Doch sie konnte niemanden um ein Schmerzmittel bitten, denn das würde ihre Flucht aus dem Wald nur unnütz aufhalten. Hinzu kam, dass ihre Kleidung vollkommen durchnässt war und sie begann, erbärmlich zu frieren.
Als der Tross in den frühen Stunden der Nacht auf Burg Scharfenstein eintraf, hatte Adelheid bereits hohes Fieber. Bruder Benedikt vermutete eine starke Erkältung. Nach einer kurzen Nachtruhe brachen die Männer trotz der drei Schwerverletzten mit dem ersten Morgengrauen bereits auf, denn sie wollten an diesem Tag unbedingt auf Lare ankommen. Den ursprünglichen Plan, die Mönche gleich in Walkenried zurückzulassen, mussten sie verwerfen. Einen solchen Umweg konnten sie sich nicht leisten.
Am späten Abend des ersten Novembertages kehrten sie endlich heim. Ein Bote war bereits in der Nacht vom Scharfenstein losgeritten, um Ludwig über die Rückkehr zu informieren. Magdalena und Adele waren vom Straußberg geholt worden, die beiden Frauen hatten im Laufe des Tages alles für die Pflege der drei Verletzten und die Aufnahme der Gäste vorbereitet.
I n den letzten Wochen des Herbstes kämpfte Adelheid mit dem Tode. Geschüttelt von Fieberkrämpfen aufgrund einer heftigen Lungenentzündung zehrte ihr Körper immer weiter aus. Magdalena und Adele wechselten sich ab, an ihrem Lager zu wachen und mit feuchten Tüchern um Kopf und Waden sowie Aufgüssen von Porst und Holunderblüten das tückische Feuer in ihrem Inneren zu mildern. Als das nichts half, brühten sie getrocknete Basilikumblätter auf. Um den Schleim aus der Lunge zu lösen, zerstieß Magdalena Fenchelsamen, übergoss das aromatische Öl mit heißem Wasser und flößte der Kranken den abgekühlten Sud löffelweise ein. Den Fuß hatte sie, so gut sie es vermochte, gerichtet, doch inmitten des geschwollenen Gewebes war der Knochen wahrscheinlich stark gesplittert. Es war unmöglich, alle Knochenteile wieder an der richtigen Stelle zu platzieren. So konzentrierte sie sich darauf, die Schwellung zu bekämpfen und den Fuß ruhig zu lagern, was bei der sich im Fieber wälzenden Patientin besonders schwierig war. Die Kranke war nicht bei Bewusstsein, fantasierte jedoch stark und rief immer wieder nach Folkmar. Adele betete mit Ludwig und Helisende, die längst wieder auf den Beinen war, regelmäßig für das Gesunden der Mutter. In der kleinen Kapelle von Lare brannte Tag und Nacht eine Kerze für Adelheid. Pater Julius vergaß in keiner Messe, um das Wohl seiner Herrin zu
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