Adelheid von Lare: Historischer Roman um die Stifterin des Klosters Walkenried (German Edition)
angenehm war, wie ihm der Keiler die Gedärme rausgeholt hat.“
„Stimmt, und stell dir vor, mit genau diesem Keiler werden wir uns jetzt den Bauch vollschlagen.“ Beide verschwanden lachend hinter der Saaltür, aus der beim Öffnen lautes Stimmengewirr und Essengerüche heraustraten. Sie hatten die beiden Frauen, die eng nebeneinander oben am Kemenatenfenster standen, nicht bemerkt.
Eine bange Frage beschäftigte Adelheid schon eine Weile. „Was ist mit Johannes?“
Magdalena schüttelte energisch den Kopf. „Ich bin sicher, er wusste nichts davon. So viel Anstand hat der Ritter immerhin besessen, seinen Neffen nicht in seine schmutzigen Umtriebe hineinzuziehen.“
„Warum hast du nie etwas angedeutet? Ich hätte wissen müssen, dass es Dietmar war!“ Adelheids Stimme sollte vorwurfsvoll klingen, doch sie schaffte lediglich einen kläglichen Unterton.
„Es wäre für Euch nichts leichter gewesen, wenn Ihr es gewusst hättet. Was konntet Ihr schon tun?“
Adelheid wollte etwas erwidern, aber die Zofe war schneller.
„Ja, Ihr hättet es Eurem Vater erzählen können, aber der hätte Euch ausgelacht! Er war viel zu gutgläubig, er hat den Ritter nicht durchschaut. Und Dietmar hätte mich zum Schweigen gebracht – so wie er es bei meiner Mutter tat. Und nun schweigt er – für immer!“
Triumph klang aus ihrer Stimme, der Adelheid aufhorchen ließ. Hatte auch ihre Zofe etwas mit dem Komplott an ihrem Ehegemahl zu tun? Plötzlich sah sie das Mädchen wieder mit wiegendem Oberkörper vor der Kerze sitzen und irgendwelche Beschwörungsformeln murmeln. Das musste gewesen sein, nachdem der Ritter sie unten im Saal bedroht hatte. Sollte sie etwa dafür gesorgt haben, dass der teuflische Plan, den ihr Bruder mit seinen engsten Freunden ausheckte, so genau funktioniert hatte? Hatte Magdalena sie nicht resolut festgehalten, als sie den Ritter aus dem Sattel des Hengstes holen wollte? Und hatte Magdalena nicht mit Zuversicht in den Augen vor ihr gestanden, als die Jagdgesellschaft über die Zugbrücke heimkehrte? Da konnte sie noch gar nicht gewusst haben, dass der Ritter tot war!
„Hohe … Frau?“
Hinter sich hörten sie ein schwaches Stöhnen und beide fuhren gleichzeitig herum. Gernot hatte die Augen geöffnet und tastete mit schwacher Hand über seine Decke. Adelheid war sofort bei ihm und griff nach den suchenden Fingern, die erschreckend kalt waren. Magdalena hob seinen Kopf an und träufelte ihm etwas Tee über die wunden und vom Fieber rissigen Lippen.
Adelheid beugte sich herunter und sprach dicht an seinem Ohr: „Ihr dürft nicht reden, edler Ritter, es schwächt Euch zu sehr. Doch habe ich Euch frohe Kunde zu geben, die Euch sicher stärken wird. Der Ritter Dietmar starb bei der Jagd: Ein Keiler hat ihn umgebracht. Der Tod meines Vaters, der Euer Freund war, ist also gesühnt!“
Die Augen des Verletzten wurden groß, Erleichterung spiegelte sich darin. Mit letzter Kraft öffnete er die Lippen und flüsterte: „Dann werde ich den Grafen wiedersehen!“
Seine Züge erschlafften und sein Blick erstarrte. Ein zufriedener Ausdruck lag auf seinem Gesicht, als Magdalena ihm die Augen schloss.
Adelheid sank in die Knie und faltete die Hände zum Gebet, doch sie brachte nur bittere Worte der Anklage über ihre Lippen: „Herr, Gott, warum auch noch Gernot? Haben wir nicht schon genug Opfer gebracht? Warum hast du all meine Bitten in den Wind geschlagen?“
Eine Woche nach Gernots Beerdigung brachte eine fahrende Gauklertruppe die Nachricht aus Mülhusen, der Stadtfürst Godhard sei wegen einer kleinen Schramme, die er sich im Kampf gegen die Lareschen zugezogen, an einem furchtbaren Fieber erkrankt und bei lebendigem Leibe verfaulend einen qualvollen Tod gestorben. Adelheid, die im Palas vom eigentümlichen Ableben des Raubritters erfuhr, suchte sofort Magdalenas Blick. Den Mund der Zofe umspielte ein zufriedenes Lächeln, das nur ihre Herrin richtig zu deuten glaubte.
Im Jahre des Herrn 1088
D er Herbst anno 1088 begann eigentlich schon im Sommer. Seit Mitte Juli hatte es fast ununterbrochen geregnet und das Getreide verfaulte auf den Halmen. Die Bauern rangen verzweifelt die Hände und versuchten, wenigstens etwas von der nassen Frucht zu retten und auf den Scheuern zu trocknen. Die erste Heumahd lag zwar sicher auf den Strohböden, aber eine zweite würde es wohl nicht geben. In banger Ahnung einer Missernte ruhten ihre Blicke mit Hoffnung auf dem Vieh, das so viel saftiges Gras zu fressen
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