Adelheid von Lare: Historischer Roman um die Stifterin des Klosters Walkenried (German Edition)
strohblonden Haar eingerahmt. Für einen kurzen Moment fühlte sich Adelheid an Ludwig erinnert und sie schloss die Augen, als könne sie so die Vergangenheit zurücktreiben in die versteckten Winkel ihrer Seele. Als sie die Lider wieder öffnete, richtete der junge Mann sich nach seiner Verbeugung auf und begann zu sprechen:
„Hohe Frau, wir sind Bauern aus Schierenberg, mich nennt man Andreas. Wir kommen in großer Sorge zu Euch, weil uns Kunde erreicht hat, dass die Überfälle auf kleine Dörfer in der Gegend um Keula und Mülhusen wieder zunehmen. Wir haben nur einfache Schutzwälle um unser Dorf. Wenn wir tags hart arbeiten, können wir des Nachts nicht Wache halten. Doch wer soll unsere Frauen und Kinder schützen, wer soll das Vieh vor Verderb retten? Seit wir vor zwei Sommern von vorn beginnen mussten, ist uns eine stattliche Herde Rinder herangewachsen. Gewiss hat schon so mancher Strauchdieb ein Auge daraufgeworfen, um satt durch den Winter zu kommen.“
Er drehte seine graue Filzkappe verlegen in den Händen und holte tief Luft. „Kurz und gut, hohe Frau, wir bitten Euch um Euren Schutz.“
Adelheid krauste die Stirn. „Aber dieser Schutz steht euch doch zu! Habt ihr nicht eine Truppe von unseren Vasallen im Dorf, die für eure Sicherheit sorgen? Graf Ludwig hatte angeordnet, dass …“ Sie schwieg irritiert, als sie sah, dass die Bauern unmutig murrten und sich bedeutsame Blicke zuwarfen.
„Mit Verlaub“, hub ihr Sprecher wieder an, „die Vasallen sind nicht gerade eine Hilfe. Bei Tag trinken sie und belästigen unsere Frauen, bei Nacht schlafen sie ihren Rausch aus und kämen im Falle eines Angriffes nicht rechtzeitig auf die Pferde. Wir können unser Leben nicht in ihre Hände geben.“
Adelheid trommelte mit den Fingern auf dem Tisch, der sie von den Bauern trennte. Sie hatte geglaubt, was Ludwig einmal angeordnet hatte, würde im Selbstlauf funktionieren. Kontrollen hatte sie nicht für notwendig gehalten. Das war ein Fehler gewesen. Wenn doch wenigstens Johannes da wäre …
Seit sie Dietmars Neffen die Burg Straußberg überlassen hatte, sahen sie sich nur noch selten. Sowohl der junge Ritter als auch Adelheid selbst waren mit der Bewirtschaftung und Verwaltung ihrer Güter vollauf beschäftigt. Nur ab und zu gönnten sie sich einen kurzen Besuch oder einen gemeinsamen Ausritt, bei dem auch immer Magdalena dabei sein musste. Die Zofe konnte inzwischen besser reiten und war nicht mehr auf das störrische Maultier angewiesen. Bei solchen Gelegenheiten tauschten die beiden jungen Menschen, die schon recht früh eine große Verantwortung zu tragen hatten, Erfahrungen aus und berieten sich. Meist lag es bei Johannes, Adelheid Mut zuzusprechen und sie aufzumuntern.
Sie spürte die fragenden Augen der Bauern auf sich gerichtet und ihr wurde wieder bewusst, dass sie eine Entscheidung von ihr erwarteten.
„Geht nach Hause in der Gewissheit, dass ich mich eurer Sorgen annehmen werde. Spätestens in einem Mond werde ich eine Lösung gefunden haben.“
Die Bauern, deren Mienen sich zunächst erleichtert erhellt hatten, drucksten nach dem letzten Satz erschrocken. Auffordernd blickten sie Andreas an, der noch einen Schritt nach vorn trat.
„Mit Verlaub, hohe Frau, ein Mond ist sehr lang. Die Räuberbanden in der Gegend haben Zulauf von Bauern, die ihre Höfe verließen aus Angst vor der Hungersnot. Die Zeiten sind unsicher geworden seitdem der Herrgott die Ernte verfaulen lässt. Jeder sieht, wo er bleibt.“
Adelheids Geduld war am Ende. Hatte sie ihm nicht Hilfe zugesagt? Sie musste sich zuerst mit Johannes beraten. Abrupt stand sie auf und fragte mit scharfem Unterton: „Was noch? Ihr habt meine Antwort gehört! Geht nach Hause und kümmert euch um euer Vieh!“
Als die Bauern mit gesenkten Köpfen den Saal verlassen hatten, lief Adelheid in die Küche, wo Magdalena mit Anna, der Frau des Mundschenks, Kräuter zum Trocknen bündelte.
„Ist mein Sud fertig?“, fragte sie, ohne sich im Raum umzusehen.
„Aber Ihr habt noch nichts gegessen!“, protestierte die Magd und legte eilfertig die Pflanzenbündel beiseite.
„Ich habe keinen Hunger!“ Auffordernd streckte Adelheid ihre Hand aus und Magdalena beeilte sich, ihr den Teekrug zu reichen, aus dem sie jeden Abend trank, um einschlafen zu können.
Adelheid machte auf dem Absatz kehrt und verschwand mit wehendem Mantel auf der Treppe zu ihrem Schlafgemach. Magdalena seufzte ratlos.
Die dralle rothaarige Frau, die dem Mundschenk
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