Adelheid von Lare: Historischer Roman um die Stifterin des Klosters Walkenried (German Edition)
Pferde galoppierten über das Burggelände und die Männer riefen sich etwas zu, da wusste ich: Sie waren es.“
Adelheid erinnerte sich jetzt, wie ihre Zofe damals gezittert hatte, als die Männer am Gänsepferch vorüberkamen.
„Und dann sagte der Ritter Dietmar in der Nacht, als sie zurückkamen, diesen merkwürdigen Satz. Euer Vater fragte ihn nach Spuren von Pferdehufen, nachdem Ihr ihn so sehr drängtet. Der Ritter entgegnete: ‚Wir haben keine Hufspuren gefunden – außer unseren eigenen!’ Er muss sich sehr sicher gefühlt haben.“
„Und alle lachten über diesen schrecklichen Scherz!“, ergänzte Adelheid bitter. „Die Nacht, in der du mit bloßen Füßen hinter mir hergeschlichen bist … Es erklärt auch, warum er die Hütte niederbrennen ließ. Er wollte alle Beweise vernichten. Doch er ahnte nicht, dass es eine Zeugin gibt.“
Magdalena machte ein skeptisches Gesicht. „Am Abend vor der Jagd lief er mir in den Weg, als ich gerade den Tee für den Ritter Gernot hinauftragen wollte. Er war betrunken und starrte mich mit seltsam gierigen Augen an, in denen gleichzeitig Argwohn und Furcht lagen. Ich starrte zurück und da sagte er zu mir: ‚Du bist auch noch dran!’ Irgendetwas muss er doch gemutmaßt haben.“
„Von mir erfuhr er, dass Fortunata eine Tochter hinterlassen hat, ich erinnere mich, dass ihn diese Neuigkeit ziemlich schockiert hat. Nur konnte ich diese Reaktion nicht deuten.“ Adelheids Gedanken fügten sich allmählich wie Teile eines Mosaiks zu einem Gesamtbild zusammen.
Ludwig, der die ganze Zeit still zugehört hatte, warf jetzt eine neue Frage auf: „Welches Motiv hat er gehabt, deine Mutter zu töten?“
Magdalena errötete und senkte den Kopf. „Ich glaube, ich weiß … Er war bereits einige Zeit vorher im Wald gewesen, um sich Medizin zu holen für seine … Manneskraft. Außerdem sollte meine Mutter ihn besprechen. Sie hat ihn gewarnt, dass die Medizin und die Beschwörung nicht unbedingt sofort helfen würden. Er solle Geduld haben …“ Es fiel dem Mädchen sichtlich schwer, darüber zu reden. „Doch Geduld war nicht seine Stärke. Ich glaube, er kam zurück, weil es nicht so geholfen hatte, wie er es wollte …“
Ludwig hatte jetzt genug gehört. Seine Stimme klang rau, als er aufstand und zur Tür ging. „Kümmert euch um Gernot, ich tue jetzt meine Pflicht.“
Adelheid und Magdalena beobachteten nur kurze Zeit später vom Fenster der Kemenate aus, wie zwei bewaffnete Gefolgsmänner Ludwigs eine kleine Gruppe von Dietmars Vasallen vor sich her trieben, und in das Kellerverlies hinter dem Bergfried brachten. Dort öffneten sie eine schwere Eichenholzluke im Boden, Angstloch genannt, ließen eine lange Leiter hinab und hießen die Männer hinunter klettern. Die Szene spielte sich erstaunlich ruhig ab, die Gefangenen waren offenbar völlig überrascht von der plötzlichen Wende der Dinge. Eben noch hatten sie mit den anderen im Saal auf ein üppiges Mahl gewartet, jetzt waren sie des grausamen Mordes angeklagt. Nachdem die Männer einzeln durch die enge Bodenluke verschwunden waren, wurde die Leiter nach oben gezogen und der schwere Holzdeckel auf das Loch geworfen. Ein eisernes Schloss verhinderte, dass ein Unbefugter die Klappe wieder öffnete und die Gefangenen aus ihrem fensterlosen Gefängnis befreien konnte.
Nach erledigter Arbeit marschierten die Gefolgsleute des Grafen wieder zum Saal zurück, denn eine Bewachung der Gefangenen war nicht notwendig. Aus dem tiefen Verlies kam nur heraus, wer einen einflussreichen Freund hatte oder über geheimnisvolle Zauberkräfte verfügte.
„In letzter Zeit überschlagen sich die Ereignisse, es wird Zeit, dass wieder Ruhe einkehrt!“, knurrte der Wachmann, der den Schlüssel zur Luke am eisernen Ring trug.
„Sie sollen das Kräuterweib gemeuchelt haben, was für eine furchtbare Tat! Die Alwina sagt, sie hätten sie mit ihren Schwertern vergewaltigt. Dafür sollten sie in der Hölle schmoren!“ Der kleinere der beiden Wachmänner spuckte aus vor Entrüstung.
„Aber vorher wird ihnen unser junger Graf die Hölle heiß machen, du wirst sehen. Schade, dass der Ritter Dietmar sich davor drücken konnte, wo er doch unseren Herrn – Gott sei seiner Seele gnädig – so schmählich im Stich gelassen hat im Helbetal.“ Sie waren an den breiten Treppenstufen angekommen, die zum Saal hinaufführten.
Der Kleine kicherte: „Das hast du gut gesagt: Ritter Dietmar hat sich gedrückt! Obwohl das bestimmt auch nicht
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