Adelheid von Lare: Historischer Roman um die Stifterin des Klosters Walkenried (German Edition)
Zustimmung. Doch der Wald blieb stumm, nur die Pferde der Begleitmannschaft schnaubten ungeduldig hinter ihrem Rücken und stießen weiße Wölkchen aus den Nüstern in die kalte Luft. Schließlich erhob sie sich, klopfte sich den Reif vom Mantel, bekreuzigte sich und sagte laut und vernehmlich, so dass es auch die Soldaten verstehen konnten: „Ich schwöre bei der Seele meines Vaters Graf Beringer von Lare und bei der Seele meines Bruders Graf Ludwig von Lare, dass ich denjenigen Mann zum Ehegemahl nehmen werde, der die Burg Lare auf der Krone ihrer Mauern umreitet. So soll es sein!“
Die Männer auf den Pferden wechselten erstaunte Blicke, sie glaubten, sich verhört zu haben. Große Schneeflocken schwebten plötzlich vom Himmel, lautlos setzten sie sich auf die Zweige der Bäume oder ließen sich auf den Tuniken der Männer nieder, wo sie bald schmolzen und vom groben Stoff aufgesogen wurden. Adelheid pfiff nach Diabolus, saß auf und ritt im scharfen Galopp zurück, die Söldner hatten Mühe ihr zu folgen. Bei dichtem Schneetreiben kamen sie auf der Burg an, doch ungeachtet des Wetters sandte die junge Frau sofort Herolde aus, die ihren Entschluss in der Grafschaft bekannt geben sollten.
Magdalena, die vormittags mit den Verwundeten beschäftigt gewesen war, hatte erstaunt zugehört, als ihre Herrin die Herolde unterrichtete. Nun waren sie allein. Adelheid, deren Wangen von dem scharfen Ritt in der kalten Winterluft glühten, sah zufrieden aus.
„Nun“, fragte sie ungeduldig, als Magdalena schwieg, „was meinst du?“
Die Zofe hatte nie gezögert, ihrer Herrin die Meinung ehrlich zu sagen, doch diesmal wusste sie keine rechte Antwort. Der Entschluss kam zu überraschend. „Zunächst, hohe Frau, bin ich sehr erleichtert, dass Ihr endlich Eure Entschlusskraft und Euren Tatendrang wiedergefunden habt. Ich glaubte bereits, Ihr seid mit Eurem Bruder gestorben. Vielleicht habt Ihr tatsächlich eine Möglichkeit gefunden, den Mut eines Mannes zu testen.“
„Vielleicht …?“ Adelheids Augen blitzten herausfordernd. „Was hast du für Einwände? Nur heraus damit!“
„Ihr kennt die Mauern der Burg besser als ich. Auch bin ich eine unerfahrene Reiterin. Doch habe ich meine Zweifel: Kann diese Probe überhaupt jemand bestehen?“ Magdalena schauderte bei dem Gedanken an Dutzende Gebeine von Pferden und Reitern unterhalb der Mauern von Lare.
Adelheid lachte hart, etwas Unsicherheit schwang dabei in ihrer Stimme. „Ein guter Reiter schafft es, vorausgesetzt, er zögert nicht unterwegs und hat sein Pferd unter Kontrolle.“
„Und wenn Ihr den Mann, dem es gelingt, die Probe zu bestehen, nicht liebt?“ Jetzt war es gesagt, was der Zofe die ganze Zeit auf der Seele lag.
Wieder lachte Adelheid auf diese seltsame Art, zynisch und bitter: „Liebe – was ist das schon? Wird man nicht nur verletzbar, wenn man liebt? Wenn es Gott gefällt, nimmt er dir alles, woran du dein Herz hängst. Wenn der Mann nur mutig ist, wird es mir genügen.“
Magdalena schwieg wohlweislich, obwohl sie anderer Meinung war. Wenn Adelheid nicht jemanden fand, den sie wirklich von Herzen liebte, würde sie vergrämt und verbittert alt werden und irgendwann unglücklich sterben. Für die Menschen, die unter ihr leben mussten und für ihr Land waren das keine erfreulichen Aussichten.
Seit Allerseelen hielt der Winter das Land in eisiger Faust. Besonders die Bauern litten in ihren kleinen Hütten unter der Kälte. Bei dem strengen Frost mussten sie ihr Vieh mit in den Katen unterbringen, was die Räume zwar wärmte, doch auch quälende Enge erzeugte. Um die Weihnachtszeit hatte sich der Viehbestand drastisch reduziert, denn der Hunger ist ein schlechter Hirt. Die ärmsten Bauern ließen Haus und Hof einfach im Stich und gingen betteln, doch die meisten kamen bei der Kälte nicht weit. Entweder sie fanden in den größeren Dörfern oder in einem der Klöster ein offenes Ohr und eine barmherzige Hand, oder sie erfroren auf den Straßen. Auch am Haupttor von Lare klopften immer wieder abgehärmte Gestalten, so dick in Lumpen gewickelt, dass oft nicht einmal zu erkennen war, ob es sich um Mann oder Frau handelte. Adelheid hatte angewiesen, ihnen am Tor einen Kanten Brot und einen Becher Milch zu geben, sie jedoch nicht hinein zu lassen. Sie wollte in diesen Zeiten kein fremdes Volk im Inneren der Burg haben. Es genügte vollauf, die Überlebenden aus Schierenberg den langen Winter mit versorgen zu müssen.
Die Dörfler hatten sich in
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