Adelheid von Lare: Historischer Roman um die Stifterin des Klosters Walkenried (German Edition)
der Scheune ein einfaches Leben eingerichtet und packten mit an, wo es ging. So mussten mehrmals am Tag die Schneemassen vom Hof gekarrt werden, sonst drohte bei Tauwetter eine Schlammkatastrophe. Der Winter war die Zeit des Ausbesserns von Werkzeugen, Waffen und Feldgeräten. Die Arbeiten beim Huf- und beim Waffenschmied waren unter den Männern besonders beliebt, brannte doch hier den ganzen Tag ein wärmendes Feuer.
Die Frauen saßen singend und erzählend in der Kemenate, während sie Flachs oder Schafwolle spannen. Im Saal klapperten sogar zwei Webstühle, an denen grobes Tuch für Röcke und Mäntel gewebt wurde. Die Schierenberger Bäuerinnen erwiesen sich als überaus fleißig und geschickt, so dass in diesem Winter mehr Wolle und Garn auf die Lager kam als in den Jahren zuvor. Robert, der Verwalter, lächelte zufrieden, wenn das Surren der Spinnräder durch die Fenster des Frauensaales drang, versprach er sich doch einen zusätzlichen Gewinn, der die Ausfälle durch die Missernten wieder wettmachen konnte.
Zum Heiligen Abend wurde die Christvesper im Saal gehalten, denn für so viele Menschen war die hölzerne Kapelle zu klein. Beim Anblick des provisorisch aufgebauten Altars und des etwas irritiert davor stehenden Paters erinnerte sich Adelheid an die halbherzigen Pläne ihres Vaters, eine neue Kapelle zu bauen, die größer und prächtiger wäre als das kleine und primitive Gotteshaus. Ein Wunder, dass Pater Caesarius sie noch nicht bedrängt hatte. Wahrscheinlich ahnte er, dass ihre Ohren noch tauber darauf reagieren würden als die des Grafen.
Im Anschluss an die Messe erhielten alle Gesindeleute ein reichliches Stück frisch gewebtes Tuch, was bei der herrschenden Kälte jedem ein passendes Geschenk schien. Nur Robert blickte nicht gerade erfreut auf sein Bündel herab, würden doch die Stoffballen, die die Gräfin hierfür angefordert hatte, den Gewinn beim Verkauf im Frühjahr beträchtlich schmälern. Sonst gab es an diesem Abend jedoch nur strahlende Gesichter auf Lare. Am glücklichsten aber sah Magdalena aus, das fiel auch dem letzten Stallknecht auf. Wenn Menschen lange Zeit auf kleinem Raum zusammenleben, gibt es kaum noch Geheimnisse untereinander. So wussten alle, was das hübsche Gesicht der Zofe heller leuchten ließ als die vielen Kerzen auf dem Altar: Johannes war zu Gast. Trotz des hohen Schnees und der beißenden Kälte hatte er sich mit seinen Knappen auf den Weg gemacht, um Weihnachten bei Adelheid und natürlich bei Magdalena zu verbringen.
Seit Johannes der Zofe seiner Herrin das Reiten auf dem Maulesel beigebracht hatte, empfanden die beiden eine stille Zuneigung zueinander. Nachdem Ludwig gestorben war, hatte Adelheid mit ihrer Zofe Straußberg verlassen, um die Geschäfte auf Lare weiterzuführen. Johannes blieb als Burgherr auf dem Straußberg zurück. Durch diese Trennung wurde die Liebe zwischen den beiden jungen Menschen entfacht wie glimmende Holzscheite durch einen kräftigen Windstoß. Im Sommer trafen sie sich oft, zumal Magdalena inzwischen gern auf einem Pferd saß. Die Kräuterbestände am Waldweg nach Straußberg wurden in dieser Zeit erheblich reduziert. Doch die Wintermonde waren quälend lang, manchmal konnten sie sich mehrere Wochen nicht sehen. Adelheid bemerkte mit leichtem Unbehagen Magdalenas Veränderung, die besonders deutlich wurde, wenn Johannes in der Nähe war. Sie konnte sich nicht vorstellen, wie sie ohne ihre Zofe leben sollte. Zwischen Johannes und Magdalena herrschte dagegen stilles Einvernehmen, aufeinander zu warten, bis Adelheid jemanden gefunden hatte, den sie lieben konnte.
Kaum hatte das neue Jahr begonnen, schien der Winter in seiner Härte nachzulassen. Mildes, sogar sonniges Wetter ließ das Tauwasser von den Bergen hinabströmen und die Helbe wie auch die Wipper traten über die Ufer, nachdem ihre Eisdecke in Schollen zerplatzt und von der Flutwelle davon gespült war. In kurzer Zeit trockneten die Wege oben auf den Bergrücken der Hainleite. In den Tälern blieb es freilich noch nass und morastig. Doch die Menschen konnten Hoffnung schöpfen. Die Kätner, die überlebt hatten, krochen aus ihren Hütten und da und dort kamen sogar noch eine abgemagerte Kuh oder ein Schaf zum Vorschein, um unter den verharschten Schneeresten nach einem trockenen Halm aus dem Vorjahr zu scharren.
Die Gebraer Bauern konnten noch nicht aufatmen, mussten sie ihr Dorf doch zunächst vor dem Hochwasser sichern. Sie erbaten sich Hilfe von der Burg und
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