Adelheid von Lare: Historischer Roman um die Stifterin des Klosters Walkenried (German Edition)
sagt, er war ein sehr unglücklicher König.“
Folkmar überlegte, was Adelheid damit gemeint haben könnte und nickte dann langsam. „Ja, da hat sie wohl Recht. Er ist sicher nicht dumm, im Gegenteil, er hatte oft einfach nur Pech. Besonders, als sein eigener Sohn sich gegen ihn erhob. Aber der hatte auch gespürt, dass es so nicht weitergehen konnte. Er musste etwas unternehmen.“
„Er hat seinen eigenen Vater in den Kerker geworfen!“, stellte Adele gnadenlos richtig.
Folkmar schaute grübelnd zum Fenster hinaus. „Vielleicht ist es gar nicht möglich für einen einzigen Menschen, ein so weit ausgedehntes Reich zu regieren und dabei weltliche und kirchliche Fürsten unter einen Hut zu bringen. Das ist ungefähr so, als würde ein Viehhirt mit einem Rudel Wölfe und einer Schafherde gleichzeitig losziehen um sie auf unübersichtlichem Gelände zu hüten.“ Die Kinder nickten eifrig, obwohl sie selbst noch nie Vieh gehütet hatten, konnten sie sich gut vorstellen, wie schwierig diese Aufgabe auch ohne das Rudel Wölfe bereits war.
„Italien ist zu weit weg! Er sollte sich auf die deutschen Gebiete beschränken!“ Altklug zupfte Ludwig an seinem gestärkten Kragen.
„Wie sieht er denn aus, dieser fünfte Heinrich?“ Von der Antwort auf diese Frage schien Adeles Einordnung des neuen Königs nicht unwesentlich abzuhängen. Folkmar musste innerlich lächeln, hütete sich aber, dies offen zu tun.
Ludwig kam ihm mit einer Antwort zuvor: „Er hat zwei Beine, zwei Arme, und mitten zwischen den Schulter sitzt sein Kopf!“ Dafür erntete er von seiner Schwester einen schmerzhaften Knuff in die Rippen und einen strafenden Blick seines Vaters. Beide mussten sie nun den Anblick von Adeles schmollendem Gesicht ertragen.
Folkmar versuchte, die Stimmung zu retten: „Vielleicht kannst du nachher einen Blick auf ihn erhaschen, wenn ihr vor dem Königspalast wartet.“
„Meinst du, wir dürfen nicht mit hinein?“
„Das glaube ich kaum, es ist schließlich eine sehr ernsthafte Versammlung, keine Messe.“
Inzwischen hatten sie das Dorf Naschhusen passiert, das um diese Zeit verlassen in der Sonne lag. Alles, was laufen konnte, war zur Bestellung auf den Feldern. Ein paar Hühner rannten gackernd vor den rumpelnden Rädern davon, sonst blieb es ruhig. Das Dorf war in den letzten Jahren aufgeblüht. Die Hütten der Bauern sahen ordentlich und beschaulich aus, hier und dort waren größere Stallungen angebaut worden. Seit der schweren Hungersnot vor nun mehr sechzehn Sommern hatte Gott der Allmächtige sie vor ähnlichen Unbilden bewahrt. Mit Stolz blickte Folkmar über das grünende Land. Immerhin konnten die Bauern in den letzten Jahren in Frieden ihre Äcker bestellen.
Vor ihnen lag das fruchtbare Wippertal, auf seinen nahrhaften Weiden sahen sie hier und dort einzelne Viehherden grasen. Die Pferde hatten jetzt ihre Gangart gefunden und liefen synchron auf der alten Heeresstraße, die sich wie ein braunes Band vor ihnen in der Sonne aufrollte. Auf der anderen Seite des Tales erhoben sich westwärts einige Vorharzberge, die mit ihren langgestreckten Kämmen wie riesige Brotlaibe in der Landschaft lagen. Unmittelbar davor zog eine flache Erhebung an ihrem Blickfeld vorbei: der Georgenberg, seit ewigen Zeiten der Dingplatz und die Richtstätte der Herren von Lare. Weithin sichtbar reckte sich der leere Galgen wie ein mahnend erhobener Zeigefinger von der Hügelkuppe in den Himmel. Der Platz war denkbar günstig gewählt, denn von der Burg und sämtlichen umliegenden Dörfern aus gab es freie Sicht auf diese Stelle. Wenn ein Gehenkter dort baumelte, bis die Raben seine Knochen blank gefressen hatten, wanderte manch furchtsamer Blick aus den Hütten und von den Höfen herüber.
„Was wird denn nun auf dieser Synode beraten?“, erinnerte Ludwig seinen Vater.
„Ich denke, es soll in erster Linie darum gehen, wer in Zukunft die Bischöfe ernennen darf. Bisher war es so, dass der König bestimmte, wer Bischof ist. Aber die Kirchenoberen möchten das wohl lieber selbst entscheiden. Dieser Streit schwelt bereits viele Jahre, er spaltet unser Land in feindliche Parteien und führt immer wieder zu Krieg. Es wird Zeit, dass er beigelegt wird.“
Sie hielten an der kleinen Kapelle, die an der Heeresstraße lag und „Maria im Elende“ genannt wurde. Es war üblich, hier anzuhalten und ein kurzes Gebet zu verrichten, um von der Mutter Gottes einen guten Verlauf für die weitere Reise zu erbitten.
Nachdem sie wieder
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