Adelheid von Lare: Historischer Roman um die Stifterin des Klosters Walkenried (German Edition)
der Einfachheit wegen meist nur in dieser Kurzform gerufen wurde, hatte ihre Stimme ihrem eleganten Sonntagsstaat angepasst. Vorwurfsvoll richtete sie ihre großen blauen Augen auf den, von dem sie dieselben geerbt hatte.
„Entschuldige bitte, meine Liebe“, säuselte Folkmar spöttisch und deutete eine leichte Verbeugung an. „Ich brauchte etwas länger für meine Garderobe.“
Seine Tochter verdrehte die Augen und schwieg wohlweislich, um seinen Spott nicht noch mehr herauszufordern. Ludwig, mit dreizehn Jahren der älteste unter den Geschwistern, blieb ruhig. Er begrüßte seine Mutter mit einer leichten Verbeugung, nickte seinem Vater erfreut zu und setzte sich wieder. Obwohl er versuchte, es sich nicht anmerken zu lassen, war er furchtbar nervös. Eine kirchliche Synode hatte er noch nie erlebt. Er wusste zwar nicht so richtig, was er sich darunter vorstellen sollte, aber sein Vater hatte ihm erklärt, dass viele geistliche Würdenträger anwesend wären, und – was am wichtigsten war – der König hatte sein Teilnahme angekündigt!
Endlich hatte der Vater aufgegessen und sie nahmen Platz in der Holzkutsche, die draußen vorm Palas bereit stand. Ludwig wäre freilich lieber geritten, aber er wusste, dass der Vater mit seinem Bein nicht gut zu Pferd war und tröstete sich mit dem Gedanken, während der Zeit in diesem äußerst weibischen Gefährt alle seine Fragen an den Vater ungestört loswerden zu können.
Die vier Pferde zogen nach einem Peitschenknall kräftig an, es gab einen unsanften Ruck und bald polterten die eisenbespannten Räder über die Zugbrücke. Adele winkte der Mutter, die auf der Treppe zum Herrenhaus stand.
„Vater, was ist eine Synode?“ Ludwig war kein Freund von langer Umschweife.
Folkmar zog den Kopf ein, den er bis dahin aus dem Fenster gesteckt hatte, um Abschied zu nehmen. „Eine Beratung, eine größere Versammlung von Kirchenoberen, die wichtige Dinge beschließen wollen.“
„Warum nimmst du daran teil? Du bist kein Kirchenherr!“, warf Adele vorwurfsvoll ein.
„Ich nehme auch nicht direkt teil, ich bin nur ein Beobachter. Als Burgherr von Lare und Ritter von Walkenried darf ich als Gast zuhören. Natürlich bin ich nicht befugt, mich einzumischen. Aber ich freue mich darauf, König Heinrich V. sehen zu können. Ich verspreche mir sehr viel von ihm für die Zukunft.“
„Was soll er besser machen als der alte König?“ In Adeles spitzer Stimme lauerte die Meinung ihrer Mutter. Folkmar nahm sich vor, wachsam zu sein. Er wollte nicht, dass seine Kinder mit Vorurteilen belastet wären, bevor sie sich ein eigenes Bild von Politik machen konnten.
Der Wagen war jetzt an der steilen Abfahrt angelangt, die vom Bergkamm der Hainleite hinunter ins Wippertal führte. Der Weg folgte einem schmalen Einschnitt zwischen zwei Bergrücken und zog sich in scharfen Kehren bergab. Der klobige Wagen knarrte verdächtig, wenn er sich in die Kurven legte. Zunächst hatten die Insassen alle Hände voll zu tun, sich irgendwo festzuhalten und die Füße am Sitz gegenüber zu verkeilen, um die Fahrt ohne blaue Flecke zu überstehen. Nach kurzer Zeit wurde der Weg wieder bequemer. Er führte jetzt nur noch leicht bergab auf das Dorf Naschhusen zu.
„Das ist gar nicht so einfach zu sagen“, setzte Folkmar seine Erklärungen fort. „Dazu müsst ihr wissen, dass Heinrich IV. bereits als Dreijähriger König wurde und damals natürlich noch nicht regieren konnte.“
„Das wissen wir längst, aus den Unterrichtsstunden bei Mutter!“ Adele verdrehte wieder in der für sie typischen Mimik die Augen.
„Na gut, dann wisst ihr auch, warum seine Politik erfolglos blieb?“
Der Wagen kam jetzt aus dem Wald heraus und rechts oben auf dem Bergsporn sahen sie Lare liegen, hell leuchteten die Kalksteinmauern in der Frühlingssonne. Auf dem Bergfried flatterte die Fahne mit dem Lareschen Löwen im Wappen.
Da die Kinder ratlos schwiegen, gab Folkmar die Antwort selbst: „Nun, es spielten natürlich sehr viele Dinge eine Rolle. Aber die Hauptursache war wohl, dass er es allen recht machen wollte. Er tat, was der Papst ihm sagte, wenn er in Italien war. Wenn er nach Deutschland zurückkehrte, versuchte er die Fürsten und Herzöge zu beruhigen und tat, was sie wollten. Damit erzürnte er wiederum den Papst und so ging es weiter. Am Ende hatte er die Kleriker und die weltlichen Fürsten gegen sich, versteht ihr?“
Die beiden Halbwüchsigen nickten zögernd. Adele fiel noch etwas ein: „Mutter
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