Adelshochzeit 2
leisten, seine Freundschaft zu verlieren.“
„Tatsächlich?“, erwiderte George bitter. „Du hast so viele Freunde, meine Liebe … und alle davon Gentlemen. Sicher kannst du es dir leisten, einen zu verlieren?“ Über die Schulter seiner Frau hinweg sah er, dass der unerwünschte Gast sich einen Weg zu ihnen bahnte.
Colin Bridgeman war in seinem Alter, doch darin lag ihre einzige Gemeinsamkeit. Bridgeman war von durchschnittlicher Größe, hatte helle Haut und strohblondes Haar. George hingegen besaß einen hohen Wuchs und einen dunklen Teint. Colin war dünn und gefiel sich am besten in grellen Farben, während George zur Fülle neigte und konservative Kleidung bevorzugte.
George hatte sich nie besonders für Colin erwärmen können, aber sie waren alte Bekannte, und da er sonst nicht viele Freunde hatte, diente Colin ihm als bereitwilliger Begleiter, wenn niemand sonst zur Hand war. Vor Georges Heirat waren sie gemeinsam lärmend und zechend durch die Stadt gezogen. Inzwischen fanden sie sich zu gesetzterem Zeitvertreib wie Würfeln und Kartenspielen oder einem gelegentlichen Gläschen in den Klubs zusammen.
Als Colin dreißig geworden war, hatte er eine beträchtliche Erbschaft aus dem Treuhandvermögen seines Großvaters gemacht. Aber die vorausgegangenen Jahre der Armut hatten ihn zu einem Knauser werden lassen. Dennoch war es George gelungen, Bridgemans Großzügigkeit zu wecken – und damit leider auch die Büchse der Pandora zu öffnen.
Colin hatteihm ein Darlehen angeboten, mit dem George sich die Gläubiger eine Weile vom Leib halten konnte, und zu der Zeit war es George völlig angebracht erschienen, das Geld zu nehmen, wenn er Bridgeman schon gestattete, Charlotte den Hof zu machen. Nun wünschte er sich, keinen Penny davon angerührt zu haben. Und natürlich wäre er auch niemals auf Bridgemans Offerte eingegangen, wenn er geahnt hätte, dass Charlottes Galan nicht für immer ein Bettler bleiben würde. Es lag George fern, seine jüngere Schwester unglücklich zu machen, allerdings war er auch nicht bereit, bis an sein Ende für ihren Lebensunterhalt aufzukommen. Also hatte er beschlossen, seinen Nutzen im Auge zu behalten – selbstverständlich mit dem Hintergedanken, dass Bridgeman seine Affäre mit Iris beenden würde, sobald er mit einer jüngeren und hübscheren Frau verheiratet war.
Was die wenig diskrete Liaison mit Iris anging, sprach George den Mann von aller Schuld frei. Es war stets seine Frau, die bei ihren Liebeleien die Initiative ergriff. Lange Zeit hatte dieses Wissen ihn gedemütigt und bedrückt. Jetzt musterte er Iris kühl, sah, wie sie ihren Liebhaber affektiert anlächelte, und erkannte plötzlich, dass es ihn nicht mehr sonderlich kümmerte, was sie tat.
Das größere Übel bestand darin, dass er den Vertrag mit Bridgeman unterschrieben hatte, ohne ihn gründlich zu lesen. Inzwischen wusste er, dass seine Schuld mit Wucherzinsen belegt war. Und nicht genug damit – sein Gläubiger konnte die gesamte Summe auf einen Schlag zurückfordern. Heute Morgen hatte er einen Brief von ihm erhalten, in dem er angewiesen wurde, das Geld mitsamt Zinsen sofort zu erbringen.
Georges Miene verfinsterte sich, als er seine jüngere Schwester mit ihrem zukünftigen Gatten turteln sah. Goode hatte vielleicht eine große Zukunft vor sich, aber er selber stand kurz vor einer Katastrophe. Wenn er Bridgeman nicht beschwichtigen und zu einem Aufschub bewegen konnte, würde er bald in einer Zelle des Fleet dahinsiechen.
„Die züchtige Braut sieht heute Abend besonders entzückend aus.“
Äußerst überzeugend spielte George den Überraschten. „Colin … du hier …?“
„Natürlich. Eine Verlobungsfeier sollte nicht ohne den verschmähten Verehrer stattfinden.“
Bei Bridgemans sarkastischem Ton zuckte Iris unmerklich zusammen, während George seinen alten Bekannten rasch beiseite nahm. „Jetzt hör mal zu, Bridgeman“, sagte er leise. „Es war nie etwas vereinbart zwischen uns. Lieber Himmel! Du hast Charlotte kein einziges Mal die Aufwartung gemacht.“
„Was nicht meine Schuld ist. Wann immer ich sie besuchen wollte, hast du mich gebeten, noch zu warten. Und als Nächstes sagst du mir, dass sie diesen Aufschneider heiraten wird.“ Mit einem spöttischen Grinsen sah er zu Philip Goode hinüber.
„Es war ihre Wahl, Colin, nicht meine“, seufzte George. „Ein Bruder kann sich doch nicht gegen das empfindsame Herz seiner Schwester stellen.“
„Im Hyde Park bist du aber
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