Adelshochzeit 2
lassen wir das; es geht um dich. Ich denke immer noch, Emily, du hast damals übereilt gehandelt. Zu stolz! Du hättest den Viscount heiraten sollen.“
„Ach, wirklich?“, rief Emily bitter. „Wo Devlin längst durchblicken ließ, dass er die Verbindung mit unserer Familie bereute? Mir lag nichts daran, ihn an sein Wort zu binden! Er hätte mich nur verachtet.“ Sie wehrte den Einwand ihrer Mutter ab. „Hör, das haben wir oft genug beredet. Es ist vorbei!“ Ihr bitterer Tonfall stand in seltsamem Gegensatz zu ihrem unbeschwerten Lächeln. Anmutig erhob sie sich und sagte: „Ich werde heute Vormittag ausgehen. Madame Joubert hat sehr schöne Seide hereinbekommen.“
In diesem Moment trat das Dienstmädchen ein und verkündete: „Mr. Bond möchte Ihnen seine Aufwartung machen.“
Fragend sah Mrs. Beaumont ihre Tochter an. Eigentlich war es für Besuche noch zu früh.
„Wahrscheinlich will er sich für seine Großmutter entschuldigen“, meinte Emily, während sie mit ihrer Mutter den Salon aufsuchte.
Sie begrüßten Stephen und baten ihn Platz, zu nehmen, was er zaghaft und sichtlich befangen tat. Schließlich sagte er zögernd: „Ich muss um Verzeihung bitten, dass ich so früh vorspreche, aber ich weiß nicht … also nun …“ Verlegen hüstelte er, ehe er fortfuhr: „Ich möchte Ihnen für Ihre freundliche Gastlichkeit danken und wollte mich versichern, dass Sie die … äh … offene Art meiner Großmutter nicht zu … äh … verstörend fanden“, endete er hilflos.
„Weiß sie nicht, dass zu große Offenheit meistens verärgert?“, erkundigte sich Mrs. Beaumont steif.
Errötend sagte er: „Ich glaube nicht, Madam, aber wenn Sie sich durch eine ihrer Bemerkungen verletzt fühlen, bitte ich in ihrem Namen um Entschuldigung.“
Emily eilte ihm gütig zu Hilfe. „Ich fand Ihre Großmutter sehr erfrischend; sie ist ein Original. Ich habe mich gefreut, sie kennenzulernen.“ Als sie Stephens verdutzten Blick sah, lächelte sie schief. „Wenn Mrs. Bond nicht sofort nach Bath zurückkehrt, musst du sie mit Mrs. Pearson bekannt machen, Mama. Meinst du nicht, dass deine gute Freundin von dieser Bekanntschaft überaus profitieren würde?“
Zum ersten Mal an diesem Tag entlockte sie ihrer Mutter, die sich vorstellte, wie zwei bösartige Naturgewalten kollidierten, ein amüsiertes Lächeln. Stephen nahm es dankbar zur Kenntnis. „Ich habe Sie lange genug aufgehalten“, sagte er und stand auf.
„Ich würde Sie bitten, noch ein Weilchen zu bleiben, doch ich habe noch Besorgungen zu machen“, erklärte Emily.
„Darf ich Sie zu Ihrem Bestimmungsort bringen?“, bat Stephen eifrig.
„Danke, das Angebot nehme ich gern an.“
Trotz der auffallenden Nase zogen nicht die Gesichtszüge des Mannes Emilys Aufmerksamkeit auf sich, sondern sein Verhalten. Selbstgefällig stolzierte er vor dem Eingang des Pfandleihers auf und ab, wobei er immer wieder sichtlich enttäuscht in die vorbeifahrenden Droschken lugte.
Zweifellos erwartete der Mann, dass sie nicht zu Fuß kommen werde, und wollte sie entdecken, ehe sie ihn sah. Da sie Stephen nicht hatte erklären mögen, was sie in einen so wenig vornehmen Stadtteil führte, hatte sie sich von ihm einige Straßen vorher absetzen lassen und auch sein Angebot abgelehnt, sie später abzuholen.
Der Frühlingstag prangte mit heller Sonne, doch es wehte ein frischer Wind, sodass Emily sich tiefer in ihren Mantel schmiegte. Noch einmal schaute sie unauffällig nach dem Fremden.
Zwar flößte ihr seine kräftige Gestalt keine Furcht ein, trotzdem war sie ein wenig unruhig. In dieser Gegend, die Geschäftsleuten vorbehalten war, sah man nur selten eine Frau, deshalb würde sie bald Aufmerksamkeit erregen. Sie betete nur, dass ihr Vater nicht gerade heute seinen Sachverwalter aufsuchte, der hier ebenfalls sein Kontor hatte.
„Emily? Emily Beaumont?“
Die kultivierte Stimme, die sie einst so gern gehört hatte, ließ sie erstarren. Langsam drehte sie sich um.
Viscount Nicholas Devlin, im Begriff, in seine Kutsche zu steigen, hielt inne und schlenderte auf Emily zu.
Sie hatte öfter überlegt, welche Gefühle eine Begegnung mit ihm wohl in ihr auslösen würde. Natürlich hatten sie sich seit dem Bruch der Verlobung nie wieder allein getroffen, sondern nur ein- oder zweimal auf gesellschaftlichem Parkett, wo beide Seiten stets strikt der Etikette folgten, um Aufsehen zu vermeiden.
Ungeachtet der Tatsache, dass ihre ehemalige große Liebe nun Gatte und
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