Adelshochzeit 2
zukünftiger Vater war, fragte sie sich doch, ob Devlins jungenhaft-frecher Charme ihr noch etwas anhaben könnte. Er war immer noch hübsch, trug das blonde Haar kunstvoll zerzaust und wirkte jünger als seine einunddreißig Jahre. Er sah sie mit seinen nussbraunen Augen sehr herzlich an.
„Wartest du auf deinen Vater?“, fragte er überrascht mit einem forschenden Blick die Straße entlang.
„Nein … nein“, entgegnete Emily wahrheitsgemäß, während sie hastig nach einer Ausrede für ihre Anwesenheit in dieser Gegend suchte. Doch sie hätte sich nicht sorgen müssen, denn der Viscount schien jäh abgelenkt durch ihre Zunge, mit der sie sich nervös ihre vollen Lippen befeuchtete.
Emilys Herz begann unter seinem anerkennenden Blick heftig zu hämmern, und die plötzliche Glut in seinen Augen weckte die längst vergessen geglaubte Erinnerung an gemeinsam genossene Zärtlichkeiten. Schuldbewusst erkannte sie: Devlin begehrte sie immer noch.
„Seit wann haben wir uns nicht mehr gesehen?“, fragte er ein wenig heiser, während er offen ihre Figur musterte. „Es muss ein Jahr her sein. Emily, ich schwöre, jedes Mal, wenn ich dich sehe, bist du schöner geworden.“
Obwohl ihr Herz immer noch heftig pochte, betrachtete sie ihn kühl. „Und ich könnte schwören, Sir, dass Sie unter den Nachwirkungen einer durchzechten Nacht leiden, andernfalls würden Sie so etwas nicht sagen.“
„Darf ich dir keine Komplimente machen?“, fragte er ernst. „Was bist du so stachelig? Schmerzt es dich immer noch?“
Emily staunte. Einerseits hätte sie beinahe verächtlich gelacht, andererseits verlangte ein Teil von ihr, weitere solche Schmeicheleien zu hören. Sie ermahnte sich, zur Vernunft zu kommen. Was er auch sagen, wie er sie auch anschauen mochte, so kurz war ihr Gedächtnis nicht; ein paar Jahre zuvor, damals, als er von Tarquin Prügel bezogen hatte, hatte er jeden Beaumont, sie selbst eingeschlossen, nur mit Widerwillen und Wut betrachtet.
„Bitte keine Vertraulichkeiten, Sir. Worauf Sie anspielen, das gehört der Vergangenheit an und bedarf gewiss keiner Erörterung.“ Damit neigte sie grüßend den Kopf und wollte an ihm vorbei, doch er hielt sie mit rascher Hand zurück.
„Nicht so schnell“, bat er weich. „Doch, Emily, es bedarf des Redens. Ich hoffte schon länger, dich einmal allein zu treffen. Ich denke oft an dich … an das, was hätte sein können …“
Emily wand sich aus seinem Griff und trat zwei Schritte von ihm fort. Schnell schaute sie in die Runde, um zu sehen, ob sie beobachtet würden, und sah verärgert, dass es in der Tat so war. Der Bursche, dessentwegen sie überhaupt hier war, hatte sie inzwischen entdeckt! Sie runzelte die Stirn und seufzte verhalten. Welch verfahrene Situation! So würde sie bestimmt nichts über Tarquins Aufenthaltsort erfahren.
„Kennst du den?“
„Wen?“, fragte sie gespielt erstaunt.
„Den Kerl da drüben, der dich so anglotzt.“
Ohne Bedenken schüttelte sie den Kopf. Sie kannte ihn ja wirklich nicht, war sich jedoch sicher, dass sie ihn jetzt schon kennen würde, wenn Nicholas Devlin nicht aufgetaucht wäre. Aber es war ja eigentlich ein Glück, dass er dem zuvorgekommen war, denn sonst sähe er sie in diesem Moment mit dem Mann reden, und das hätte ganz bestimmt zu peinlichen Fragen geführt.
Dass ihr Bruder und ihr ehemaliger Verlobter sich immer noch aus dem Weg gingen, war Emily bewusst, und selbst wenn Nicholas ihr ein wenig Sympathie und Freundlichkeit zeigte, galt das gegenüber Tarquin bestimmt nicht. War der also in Schwierigkeiten, würde das, dessen war sie sich sicher, Nicholas höchste Freude bereiten.
Derweilen spähte der Viscount verstohlen zu dem Höckernasigen hinüber. Er kannte den Mann und wusste, womit er seinen Lebensunterhalt bestritt, denn er hatte dessen Dienste schon selbst in Anspruch genommen. Mickey Riley hatte nämlich ein paar außergewöhnlich hübsche Vögelchen unter seinen Fittichen. Auch, dass mit Riley nicht zu spaßen war, wusste Devlin, fürchtete ihn jedoch nicht, da der Bursche schlau genug war, von Höherstehenden respektvoll Abstand zu halten.
Als Mickey sich nun von Lord Devlin unverwandt beobachtet sah, wandte er sich schließlich irritiert ab und stolzierte die Straße hinab.
Emily nahm das mit Bedauern wahr; so war also ihr Treffen mit dem Fremden vereitelt worden. Außerdem bemerkte sie Nicholas’ veränderte Miene – er musterte sie neugierig. Bestimmt würde er sie gleich fragen,
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