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Adieu, Sir Merivel

Adieu, Sir Merivel

Titel: Adieu, Sir Merivel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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schaue, werde ich mir vorstellen, wie du in deinem Zimmer auf Bidnold aufstehst, deine Schale Schokolade trinkst, dann die Anweisungen für den Tag ausgibst, erklärst, was geschrubbt oder neu geordnet oder poliert oder herbeigeschafft oder fortgebracht werden muss.«
    »Das werdet Ihr tun, Sir?«
    »Ja. Mit Sicherheit.«
    Will nickte. Seine zerfurchte Miene glättete sich ein wenig, doch es blieb ein hartnäckiger Rest von Traurigkeit, als er sich umwandte und das Zimmer verließ. Ich wusste, dass ich um seinetwillen womöglich noch von meinem kühnen Plan zu der Reise in die Schweiz absehen könnte, weshalb ich mich sofort an meinen Sekretär begab und die Feder zur Hand nahm.
    Meine liebe Louise, schrieb ich,
    ich habe mich entschlossen: Ich werde mich aufmachen, Dich zu finden.

23
    Ich brach zu meiner Reise auf.
    Im Geiste sah ich stets eine vieltürmige Burg vor mir. In deren Türme führten steinerne Treppen, die sich um sich selbst wanden und kalt anfühlten, wenn man den Fuß daraufsetzte.
    Bevor ich mich einschiffte, blieb ich eine kurze Weile in London und fand meine Tochter in einem Zustand großen Entzückens über ihr neues Leben.
    Fubbs flüsterte mir zu: »Margaret wird sehr von den jungen Galanen bei Hofe beachtet. Der jüngste Sohn Lord Delavignes, der ehrenwerte Julius Royston, glüht schon vor Verlangen, aber ich habe Margaret verboten, ihre Jungfräulichkeit an ihn zu verlieren. Sie muss standhaft bleiben, auf diese Weise erhält sie vielleicht einen Heiratsantrag. Un Match très, très auspicieux, mon cher Merivel! La noble et riche famille Delavigne! Und er ist solch ein charmanter junger Mann, Ihr könnt es Euch nicht vorstellen …«
    Fubbsys Freude an Margaret war, wie ich feststellen konnte, eher von liebevoll-zärtlicher Natur. Wenn Margaret sprach, heftete Louise de Kérouaille ihre glänzenden Vogelaugen auf sie wie eine Mutter, die ihr Kind ermuntert, das sprechen oder gehen lernt. Und wenn sie gemeinsam einen Raum verließen, hakte Louise sich bei Margaret ein, und sie gingen dicht aneinandergelehnt wie zwei Verschwörerinnen.
    Nur eines beunruhigte die beiden Frauen, und das war der unsichere Gesundheitszustand des Königs. Fubbs erzählte mir, er habe an eben diesem Morgen, während ihm der Schnurrbart gestutzt wurde, einen Krampf erlitten und sei in Ohnmacht gesunken. Als ich sie fragte, ob ich ihn wohlbesuchen könne, meinte sie: »Er schläft jetzt. Als die Königin von dem Anfall hörte, bestand sie darauf, dass er in ihre Gemächer zöge, und dahin kann ich Euch nicht bringen.«
    Als ich mit Margaret einen Rundgang durch die Gärten machte, bemerkte ich feine Veränderungen in ihrem Verhalten. Während sie früher, auf Bidnold, gern ausgelassen wie ein Mädchen umhergesprungen war, bewegte sie sich jetzt mit gemessener Anmut, trug den Kopf gerade und hoch, und als sie meinen Arm nahm, sah ich, dass sie sorgfältig darauf achtete, ihre Hand so daraufzulegen, dass ihre Finger hübsch gespreizt waren, als vollführte sie einen getragenen Tanz. Und die Menschen, die uns begegneten – zumeist kleine Gruppen von Gecken, mit schweren Schwertern behängt –, lächelten ihr zu und verneigten sich in knappen, überflüssigen Verbeugungen.
    »Potzblitz, Margaret«, sagte ich, »ich sehe wohl, du bist hier sehr bekannt. Wie ist das geschehen?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte sie unschuldig, »die Herzogin ist eben sehr bekannt, und ich bin viel an ihrer Seite.«
    »Und bist du auch an der Seite des Königs?«
    »Wie meinst du das, Papa?«
    »Gehst du manchmal allein mit ihm spazieren?«
    Margaret warf mir einen Blick von der Seite zu, ging dann aber weiter, ohne meine Frage zu beantworten. Erst als wir in den Schatten einer jungen Eiche traten, blieb sie stehen und sagte: »Ich hoffe nur, mein lieber Papa, dass du dir, wenn du in der Schweiz bist, meinetwegen keine Sorgen machen wirst. Das Schicksal hat mir sehr freundlich zugelächelt. Ich bin nicht am Typhus gestorben. Und jetzt – sieh nur, wo wir hier sind! Ich glaube, du solltest Vertrauen haben, in mich und in meinen gesunden Menschenverstand.«
    Ich küsste sie auf die Stirn. Es gab sehr viel, was ich ihr hätte sagen wollen, doch ich spürte in Margaret einen großen Unwillen, es ausgesprochen zu hören. Also wanderten wir weiter, und ich versuchte, meinen Verstand von all denDingen abzubringen, die ihn immer noch beunruhigten, und dorthin zu lenken, wo vielleicht blauer Enzian vor meinen Füßen aus dem Boden sprießen

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