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Adieu, Sir Merivel

Adieu, Sir Merivel

Titel: Adieu, Sir Merivel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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würde.
    Mein Weg durch Frankreich war geplagt von brennender Hitze.
    In sämtlichen aufeinander folgenden Kutschen beklagten sich die Reisenden, ob Männer oder Frauen, über die Hitze, fächelten sich Kühlung zu, schnauften und prusteten wie Möpse, lockerten ihre Kleidung oder legten sie ab, damit die entblößten Teile ihrer schweißnassen Körper Luft bekamen.
    Der Gestank in diesen Wagen war schlimmer als alles, was ich jemals erlebt hatte, und ich werde ihn nicht so bald vergessen.
    In einer der Kutschen geschah dann etwas Außergewöhnliches und Beschämendes, das niederzuschreiben mich in Verlegenheit bringt, und dennoch habe ich beschlossen, es zu tun. (Es ist sicherlich sinnlos, sein Leben aufzuschreiben, wenn es nicht, ebenso wie die anständigen und förderlichen Vorkommnisse, auch die hässlichen und abscheulichen enthält.)
    Auf der Strecke nach Besançon reisten nur Männer mit mir, bis auf eine Frau, die mir gegenübersaß. Diese Frau war eine Matrone, um die fünfzig Jahre alt, von beachtlichem Leibesumfang und mit einer Haut weißer als Speck, und sie hatte sich mit einem Glas Fleischpâté ausgestattet, aus dem sie ununterbrochen aß und laut und vernehmlich an einem Löffel saugte.
    Etwa zwanzig Meilen vor Besançon beschloss dieses Geschöpf – gequält wie wir alle von der Sonne, die auf das Wagenverdeck brannte –, umstandslos und ohne irgendein Gestatten-Sie-wohl, sich ihrer Unterhose zu entledigen. Sie zog sie einfach aus und steckte sie weg und raffte ihre Röcke und scherte sich nicht darum, ob die Reisenden ihre Fut sahen. Sie spreizte, ganz im Gegenteil, ihre dicken Schenkelso, dass ihre höchst private Anatomie für uns vollständig zu sehen war, und bemerkte nonchalant, dass Frauen sich vor einer schwitzenden Fut hüten müssten, denn »mit dem Schweiß können die Pocken eindringen«.
    »Ach«, sagte ich und suchte den Anblick möglichst zu meiden, den sie mir offenbar so dringend präsentieren wollte, »das habe ich noch nie gehört, Madame, und ich bin Arzt.«
    »Arzt? Nun, Monsieur, lasst mich Euer Wissen erweitern. Es ist nämlich weithin bekannt, auch wenn es in Eure Profession noch kaum vorgedrungen sein mag. Meine eigene Mutter starb auf diese Weise während einer tropischen Hitze an den Pocken, und sie bekam sie nur von dieser Hitze und nicht vom Schwanz irgendeines Mannes.«
    Und nachdem sie dies gesagt hatte, aß sie weiter ihr eingemachtes Fleisch, und ich konnte nicht umhin, sie anzustarren – ihren Mund, der die Pâté verschlang, und ihre Fut, die, sehr dunkel und schweißglänzend, auf dem Sitz mir gegenüber weit nach vorne geschoben war. Und ich wusste, dass ich sie, wenn ich in der torkelnden Kutsche allein und sie einverstanden gewesen wäre, gehörig rangenommen hätte, obgleich sie mich abstieß. Und voller Selbstmitleid dachte ich bei mir, wie einsam mein Leben doch geworden war, bar jeglicher animalischer Liebe.
    Ich schloss die Augen und schlief ein wenig, und als ich erwachte, standen Körper und Geist in Flammen vor Wollust, ohne dass ich mich hätte erleichtern können, und ich verfluchte die fette Frau, weil sie mich dermaßen quälte, und wünschte mir, ich wäre ein Bär, ohne Skrupel und Sittsamkeit, und könnte mein Glied herausholen, das schmerzlich angeschwollen war, und es ohne weiteres in sie schieben und unverzüglich Vergnügen und Erlösung erlangen.
    Dann sah ich, dass die Frau ihr Pâté-Glas beiseitegestellt hatte und so weit auf ihrem Sitz nach vorne gerutscht war, dass ihr Hintern fast über der Kante hing. Und ihr Blick war jetzt fest auf mich gerichtet.
    Ich schaute zu den anderen Reisenden, drei Männern unterschiedlichen Alters und Schlages, und auch sie waren jetzt in atemloses Schweigen verfallen und betrachteten mich mit ebenso gespannter wie belustigter Miene. Und nach einer kurzen Weile stupste der Mann neben mir, ein rotgesichtiger Gutsherr mit großen Grützbeuteln auf der Nase, mich in den Schenkel und flüsterte: »Allez-y, Monsieur. Pourquoi pas, si elle l’invite?«
    Und da begriff ich, dass diese alternde Dirne – mit ihrem demonstrativen Saugen, dem Verschlingen der saftigen Pâté und ihren Geschichten über Hitze und Pocken – schon die ganze Zeit eine Einladung zur Kopulation vorführte und nur gewartet hatte, wer von uns sie annehmen würde.
    Ich atmete gepresst und sehr angestrengt. Die Kutsche rumpelte die glühend heiße Straße entlang. Und jetzt hielt die Frau drei Finger ihrer fetten Hand hoch und deutete

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