Adieu, Sir Merivel
Ordnung beinahe zu fließen und in seinem Miteinander von rosigen Ziegeln und cremefarbenem Sandstein einen einzigen harmonischen Zusammenklang zu bilden schien, fast so, als wäre es gar nicht von einem Architekten erdacht, sondern von einem Komponisten dort hingezaubert worden. Selbst die Sonne wirkte mit an diesem Lied von Pracht und Schönheit, indem sie durch die grauen Wolken brach und die Gebäude mit ihrem warmen Winterlicht streifte, so dass die Schieferdächer wie Zinn glänzten und das Glas der tausend Fenster, wie die hohen Töne einer Flöte, in diamantener Helligkeit erstrahlte.
Ich hätte mir das Gelände gern verlassen gewünscht, um ganz allein seiner Musik zu lauschen, oder vielleicht sogar als ein Gemälde seiner selbst, um es in Muße und vollkommener Stille zu betrachten. Doch als wir weiterfuhren, sah ich unsere Kutsche von einer Menge Menschen umringt, die meisten ärmere Leute, die nicht durch das äußere Tor zu treten wagten und sich damit zufriedengaben, ihre Waren zu verhökern oder kleine Kunststücke, wie etwa auf Stelzen laufen oder Purzelbäume schlagen, zu vollführen, um von den ein und aus gehenden Höflingen ein paar sous zu erhalten.
Mein Kutscher drängte so ungeduldig durch diese kleine Menge, als wäre es eine Herde Gänse, ein Stelzen-Mann stürzte und fiel in den Staub; endlich fuhren wir in den ersten der zwei weitläufigen, auf Wallanlagen errichteten Schlosshöfe, genannt Place d’Armes , der dem Palast zusätzlichen Raum und Glanz verleiht.
Hat man diesen Hof erreicht, kommt es einem vor, als beträte man eine eigene Stadt , denn nun schließt sich alles um einen zusammen. Man sieht nur noch den Aufmarsch verzierter Fassaden, der sich bis ins Unendliche zu erstrecken scheint. Die Welt jenseits dieser Fassaden hört auf zu existieren. In zwei prächtigen Reihen haben die uniformierten Schweizer Garden, welche das portail bewachen, hinter dem sich die königlichen Appartements befinden, Aufstellung genommen und bewegen sich mit langsamem, untadeligem Schritt zum leisen Schlagen von zwanzig oder dreißig Trommeln.
Die Kutsche fuhr bis ans portail heran, wo uns der Weg durch Wachposten verstellt wurde, die Hellebarden trugen und zweifellos wegen ihrer wilden dunklen Augen und ihres hohen Wuchses ausgewählt worden waren. Ein wenig steif und gebückt, staubig und nach Stroh riechend, entstieg ich der Kutsche und zog mein Schreiben hervor. Dieses Dokument – von der langen Reise schon leicht zerknittert und beschmutzt (und mit einem kleinen Riss im Siegelwachs, der mir nun entsetzlich deutlich ins Auge sprang) – wurde von den Wachposten, als wäre es eine tote Maus, nur widerstrebend geprüft und mir zurückgereicht. Und sehr bestimmt wurde mir bedeutet, dass meine Kutsche nicht weiterfahren dürfe.
» Messieurs «, sagte ich in dem besten Französisch, das mir nach den langen Stunden auf der Straße noch gelingen wollte, » regardez-bien . Dies ist das Siegel von Seiner Majestät, König Charles II. von England. In diesem Schreiben drückt er seinen Wunsch aus, es möge mir eine sofortige Audienz bei Seiner Majestät, König Louis, gewährt werden, welchem meine Dienste anzubieten ich gekommen bin …«
»Der König«, erwiderte der größte Wachposten, »gewährt keine ›sofortigen Audienzen‹. Begebt Euch also zum Grand Commun dort drüben, wo Euch durch einen der Surintendents die korrekten Formalitäten für ausländische Bittsteller erklärt werden.«
Wie sich herausstellte, war das Grand Commun das sehr bedeutende dreistöckige Gebäude zur Rechten des Hofes mit einer Vielzahl von Fenstern und einer großen Menge von Menschen, die durch die zwei Türen ein und aus gingen. Mir blieb keine andere Wahl, als dem Wachposten zu gehorchen und wieder in die Kutsche zu steigen und mich mit meinen Koffern vor eine der Türen fahren zu lassen; dort wurde ich dann endlich abgesetzt.
Ich entlohnte den Kutscher und bedankte mich bei ihm. Als er die Pferde wendete und sich anschickte, wieder aufzubrechen, hob ich die Hand und winkte ihm so traurig nach, als wäre ich ein Armeleutekind, das man auf den Stufen eines Waisenhauses abgelegt hat. Und kaum war er nicht mehr zu sehen, merkte ich, wie die mächtige Welt von Versailles mich von allen Seiten bedrängte, als wollte sie nach mir greifen und mich zu ihren tausend Wundern führen; doch dann drängte und zog sie doch nur, stoßend und schiebend, mit ungeheurer Gleichgültigkeit an mir vorbei; und da wusste ich mit einem
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