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Adieu, Sir Merivel

Adieu, Sir Merivel

Titel: Adieu, Sir Merivel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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tat ihr weh …«
    »Ihren Magen konnten wir ein wenig beruhigen, mit Eselsmilch und der vorzüglichen Brühe – Ihr Koch ließ es sich nicht nehmen, sie uns zu bringen«, sagte Prideaux, »dochdas Fieber will nicht sinken, und auch die heftigen Schmerzen in ihrem Kopf weichen nicht. Sie ist purgiert und zur Ader gelassen worden. Wir haben es mit Pulver von der Spanischen Fliege versucht und allem, was Doktor Murdoch sonst noch vorgeschlagen hat. Manchmal hört es eine Weile auf, und die Schmerzen lassen nach. Aber danach kommt alles wieder. Und sie wird immer schwächer.«
    Ich spürte kalten Schweiß auf meiner Haut.
    »Wollen Sie damit sagen«, fragte ich, »dass niemand dem, woran sie leidet, einen Namen zu geben wusste?«
    »Doktor Murdoch weiß es nicht«, erklärte Arabella.
    »Doktor Murdoch ist ein Quacksalber«, sagte ich, »und das war er schon immer. Wen haben Sie noch zu Rate gezogen?«
    »Einen weiteren Arzt aus Attleborough, Doktor Sims. Doch er konnte die Ursache auch nicht benennen«, sagte Prideaux, »erwähnte aber ein mögliches Gift, das von den Garnelen stammt.«
    Wir schwiegen einen Moment. Dann fragte ich: »Gibt es auf Margarets Gesicht oder an ihrem Körper irgendein Anzeichen von Rötung oder Ausschlag?«
    »Es gibt einen Ausschlag«, sagte Arabella. »In der Gegend des Halses und der Brüste. Wir haben versucht, sie mit Nesselseife zu waschen, um das Brennen des Ausschlags zu lindern, aber er ist hartnäckig …«
    Jetzt wurde mein Schweiß eisig, und ich fühlte, wie er mir am Körper herunterlief. Ich betrachtete Prideaux und seine Frau, wie sie da so hilflos in ihren Nachtgewändern standen, das Haar in peinlicher Unordnung, und beide mit einer Kerze in den zitternden Händen. Und auch wenn ich wusste, dass sie gute, ehrliche Menschen waren, hätte ich heulen und schreien mögen über ihre Ahnungslosigkeit und die Ahnungslosigkeit der Ärzte.
    »Sie hat Typhus«, sagte ich.
    Sie liegt in einem hohen, geräumigen Zimmer in weichen, sauberen Leintüchern. Ein Feuer brennt hinter dem Kamingitter.
    Draußen in der frostkalten Nacht schreien Eulen. Und dieses Geräusch, welches nach einer großen Verzweiflung klingt, ist das Echo auf jenes Geräusch, welches ich in mir selbst höre, während ich an ihrem Bett sitze.
    Ich habe den Haushalt angewiesen, keine Besucher mehr zu Margaret vorzulassen, denn Typhus ist ansteckend und tödlich, und ich möchte nicht, dass die liebe Mary und ihre Schwestern meiner Tochter an diesen Ort hier folgen.
    Tabitha, die ihrer Herrin nicht von der Seite weichen will, habe ich die Anweisung gegeben, sich Tücher vor das Gesicht zu binden, wenn sie sich Margarets Bett nähert, wie auch ich es tun werde, so wie damals, im Jahre 1666, als ich die Opfer der Pest betreute. »Und wenn wir sie waschen«, erkläre ich ihr, »müssen wir uns anschließend auch waschen, wie wir uns ohnehin ständig waschen müssen, damit wir uns nicht an ihrer Haut oder ihrem Mund anstecken.«
    Margaret liegt in einem unruhigen Schlaf. Ich sehe, dass der Ausschlag zu ihrem Kinn und auf die Wange hochgewandert ist. Ich sehne mich danach, ihre Wange zu streicheln, lasse es aber bleiben. Ihre Haare sind feucht und liegen zerzaust auf dem Kissen, und auch sie möchte ich streicheln und mit meiner Hand glätten, lasse es aber bleiben.
    Ich spreche leise mit ihr. Ich erzähle ihr, dass ich eine Kutsche mit Pelzen und Kissen auspolstern und sie am folgenden Morgen heim nach Bidnold bringen werde.
    »Dieses dein Bidnold«, sage ich, »wurde mir einst vom König beschrieben als ›ein Ort, wohin wir kommen, um zu träumen‹. Er wusste, dass es ein Haus ist, das großen Trost birgt. Wenn du nicht in Bidnold gesund wirst, dann wirst du nirgends auf der Welt gesund, ganz gleich, ob dort jetzt kalter Winter herrscht. Und ich schwöre dir im Namen des Königs und im Namen meines längst dahingegangenen Freundes John Pearce, den ich nicht vor dem Tod retten konnte, dass ich, als Vater und als Arzt, alles in meiner Macht Stehende tun werde, damit du gesund wirst.«
    Sie erwacht und sieht mich an ihrem Bett stehen, und ihre Augen verraten mir, dass sie mich erkannt hat, und das tröstet mich ein wenig, denn ich weiß, dass der Typhus in seinen letzten Stadien das Gehirn verwirrt, ein Anzeichen dafür, dass der Erkrankte in Kürze sterben wird.
    Ich wiederhole, dass ich sie nach Hause bringen werde. »Und wenn du wieder gesund bist«, sage ich, gehen wir hinaus in den Schnee, und dort draußen im Park

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