Adieu, Sir Merivel
gebe kein sicheres Mittel gegen Typhus. Alles, was ich herausfinden konnte, war, dass die Krankheit gemeinhin eine Dauer von acht oder zehn oder zwölf Wochen hat, danach zeige der Patient wahrscheinlich Merkmale der Genesung, etwa ein deutliches Sinken des Fiebers und eine Beruhigung der Gedärme. Wenn diese Anzeichen sich jedoch nicht einstellten, nun, dann folge eine wachsende Verwirrung des Verstandes, das Ende seien Bewusstlosigkeit und Tod.
Unser beider Leben, meines und Margarets, lag darum in den Händen des Schicksals oder (worauf meine Eltern nicht weniger als John Pearce und selbst der König bestanden) in den Händen Gottes. Alles, was ich, ein sterblicher Doktor, tun konnte, war, die Symptome zu lindern. Zusammen mit Cattleburys Brühen verabreichte ich ihr Opium. Ich ließ sie von Zeit zu Zeit zur Ader, um die Galle zu besänftigen. Ich wusch ihr den Schweiß von der Stirn und vom Körper. Auf das Geschwür strich ich eine Paste aus Bienenwachs und Spitzwegerichsalbe, und zu meiner großen Freude war das Geschwür nach wenigen Tagen geschrumpft.
Dieser kleine Erfolg heiterte mich ein wenig auf, und ich pries Louise für ihre Erfindung.
Ich verwandte viel Zeit aufs Reden. Ich dachte, wenn es mir gelänge, Margarets Verstand wach zu halten, könnte ich sein allmähliches Versinken in Dunkelheit abwenden. Ich erzählte ihr Geschichten aus ihrer Kindheit und begann mit der Geschichte ihrer Geburt im Jahr des großen Brandes, als ich sie, um ihr Leben und auch das ihrer Mutter zu retten, aus Katharinas Schoß geschnitten hatte.
Sie hatte diese Erzählung zuvor schon oft gehört: wie überzeugt ich gewesen war, sie beide retten zu können, und wie ich scheiterte. Sie hatte um ihre Mutter geweint und gefragt: »Warum konntest du sie nicht ebenfalls retten, Papa?«
Und ich erklärte ihr, wir hätten, bei allem, was ich versuchte, und bei allem, was die Hebamme versuchte, das Blut in Katharinas Schoß nicht stillen können, und so sei das Leben aus ihr herausgesickert. Aber ich versicherte Margaret, dass ihre Mutter nicht gelitten habe, sondern in einen schönen Schlaf hinübergeglitten und daher sehr friedlich gestorben sei.
All dies war richtig, und doch war Margaret mit einer schrecklichen Lüge aufgewachsen, einer Lüge, die Katharina betraf. Sie glaubte, Katharina sei eine der Quäker-Krankenschwestern gewesen, die Pearce und seinen Freunden bei der Sorge um die verrückten Menschen in der Irrenanstalt von Whittlesea geholfen hatte. Doch dem war nicht so. Katharina, eine wunderschöne, verführerische Frau, war eine der gequältesten Insassinnen des Spitals. Pearce hatte mir wieder und wieder nahegelegt, mich von ihr fernzuhalten. Doch das tat ich nicht. Die Wollust lockte mich wieder einmal auf jenen verhängnisvollen Pfad, den ich niemals hätte betreten dürfen.
Darüber hinaus hatte ich Margaret erzählt, ihre Mutter und ich seien in der Kirche St. Alphage getraut worden, wo Katharina begraben liegt, doch eine solche Zeremonie hat niemals stattgefunden, aus dem einfachen Grunde, weil es mir, aufgrund der anhaltenden Entfremdung vom König, nicht gelang, die Zustimmung zur Annullierung meiner Ehe mit Celia zu erhalten. Und für eine Bigamie mit Katherine war ich nicht gerüstet.
Nun, da ich Margarets Tod befürchtete, fragte ich mich, ob ich ihr nicht die Korrektur einiger Unwahrheiten schuldig sei, welche das kurze, kummervolle Leben ihrer Mutter betrafen.
Ich wusste, wie sehr ich davor zurückschrak. Ich sagte mir, es sei nicht recht, einer Kranken derart grausame Enthüllungen zuzumuten. Und während ich in die Flammen des Feuers starrte, das ständig in Margarets Zimmer brannte,stellte ich mir vor, was geschehen würde, wenn Margaret von der Geisteskrankheit ihrer Mutter hören und erfahren würde, in welch beklagenswerter Weise ich diese arme, hilflose Frau benutzt hatte, würde sie sich plötzlich von mir, ihrem einzigen lebenden Verwandten, abkehren und mich zur Hölle wünschen.
Der Gedanke, dass meine Tochter, ob lebendig oder im Sterben begriffen, mir all ihre Liebe entziehen könnte, war mehr, als meine erschöpfte Seele ertragen konnte. Und so schwieg ich.
Als ich an einem frostigen Morgen durchs Haus wanderte, um zu prüfen, ob das Gebäude dem Toben von Schnee und Stürmen noch standhielt, betrat ich das Zimmer, das ich stets als das Olivenzimmer bezeichnet hatte. Es war nicht mehr in allerlei olivgrünen Farben ausgeschmückt (mit scharlachroten Quasten über dem Bett), sondern
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