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Adieu, Sir Merivel

Adieu, Sir Merivel

Titel: Adieu, Sir Merivel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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Fell.
    Ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Etwas wallt in mir hoch, ein mächtiges Gefühl, aber es scheint sich in meiner Brust niedergelassen zu haben und will nicht heraus.
    Als Will die Tür erreicht hat, dreht er sich um und sagt zu mir: »Ich tue das um Miss Margarets willen, Sir Robert, um meinen Beitrag zu ihrer Heilung zu leisten, allein deshalb.«

13
    Die erste Februarwoche war für uns die neunte Woche von Margarets Krankheit. Es gab keine Veränderung ihres Zustands, weder zum Besseren noch zum Schlechteren. Der Typhus ist, wie es scheint, ein rücksichtsloser Besucher, der sein Wohnrecht im Körper beansprucht, sich dort schlafen legt und keine Anstalten macht, wieder zu gehen.
    Als ich eines Morgens in meinen Almanach schaute und die ermüdende Abfolge der Tage zählte, begann ich zu glauben, wir würden für immer in unserem arktischen Gefängnis eingeschlossen bleiben und langsam darin sterben. Und dieser Gedanke brachte mich auf jenen anderen seiner Freiheit beraubten Gefangenen, den Bären, den ich erbärmlich vernachlässigt hatte.
    Ich ging hinaus zu der Stelle, wo der Käfig stand, und sah, dass der Schnee so hoch lag, dass kaum noch Platz für das Tier blieb. Es versuchte zwar weiter, sich Raum zu schaffen, doch der kompakte, gefrorene Schnee vereitelte fast all seine Bemühungen. Kurzum: Das Wetter baute einen Sarg um den Bären.
    Ich rief einen der Stallknechte herbei, und gemeinsam schaufelten wir den Schnee mitsamt den Fäkalien durch die Gitterstäbe des Käfigs hindurch heraus – ein sehr umständliches und mühseliges Unterfangen –, doch nach einer Stunde, in der wir mächtig ins Schwitzen gekommen waren, war der Bär aus seiner unglückseligen Lage befreit, und er konnte wieder, sehr langsam, im Kreis gehen.
    An der Art, wie das Tier sich bewegte, sah ich, dass seine Gliedmaßen steif und wund von der Gefangenschaft waren, und ich wies den Stallknecht an, mir aus den Stallungen einige starke Ketten zu besorgen.
    »Ketten? Zu welchem Zweck, Sir Robert?«, fragte er.
    »Geh sie einfach holen«, sagte ich, »dann zeige ich es dir.«
    Er kam zurück, behängt mit Ketten, und klirrte mit ihnen wie ein dem Grabe entsprungener unheimlicher Geist, worüber ich lächeln musste, denn er war ein sehr dicker Mann, dem der Tod zweifellos als etwas höchst Ungerechtes und Feindliches erscheinen musste. Ich nahm ihm die Ketten ab und fand eine, deren eines Ende ich durch einen Ring am anderen Ende stecken konnte.
    »Und nun«, sagte ich, »werde ich in den Käfig greifen und dem Bären diese Kette in einer Schlinge um den Hals legen, so wie eine Leine um den Kopf eines Hundes.«
    »Aber wozu, Sir?«
    »Wenn die Kette sicher um den Hals liegt, wirst du das Tor des Käfigs öffnen …«
    »Nein, ich nicht, Sir Robert!«
    »Doch, guter Mann. Ich kann es nicht allein. Aber hab keine Angst. Ich werde das Tier an der Leine halten. Du stehst sicher hinter dem offenen Tor, und ich führe den Bären heraus.«
    »Der Himmel sei uns gnädig! Und was ist, wenn er Euch die Kette aus der Hand reißt?«
    »Das wird er nicht. Er ist schwach. Du hast doch selbst gesehen, wie eingezwängt das arme Geschöpf war.«
    »Er könnte Euch aber immer noch bei lebendigem Leib auffressen.«
    »Nun, dann wirst du mich immerhin nicht in der Erde begraben müssen.«
    »Ich habe nicht gescherzt, Sir.«
    »Ich auch nicht. In dieser gefrorenen Erde ein Grab zu schaufeln wäre eine grausame Qual.«
    Der Stallknecht starrte mich an, als bedauerte er, dass er für einen Verrückten arbeiten musste, dann lenkte er den Blick zum Himmel, der sich, während wir uns mit dem Schneeplagten, über Bidnold verdunkelt hatte und einen weiteren Schneesturm versprach.
    Nun zog ich, während er mir zusah, meine dicken Lederhandschuhe bis fast an die Ellbogen hoch, langte mit der Kette in der Hand langsam in den Käfig und ließ sie über den Hals des Bären gleiten. Als er sie im Nacken spürte, warf er den Kopf zurück und hätte die Kette beinahe weggestoßen, doch es gelang mir, sie zu halten, und mit der anderen Hand nahm ich den Ring und zog kräftig an der Kette, bis sein Kopf in einem Halsband steckte.
    Der Bär gab einen kleinen Protestlaut von sich, nicht zu vergleichen jedoch mit dem Gebrüll im Jardin du Roi , weshalb ich so kühn war, mit ihm zu sprechen.
    Ich sagte: »Mein armer Freund, wir werden nun einen Spaziergang machen. Wir werden langsam gehen, damit du wieder Gefühl in deine Lenden und deine Pfoten bekommst. Und

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