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Adieu, Sir Merivel

Adieu, Sir Merivel

Titel: Adieu, Sir Merivel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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darauf, und wir wussten nicht, wohin wir schauen sollten, und es war nur gut, dass Will (der endlich sein Dachsfell abgelegt hatte und nun eine rot-goldene Livree trug, die zu groß für seine alten Knochen war) in diesem Augenblick den Raum betrat, um mir mitzuteilen, dass das Netz für das Federballspiel, nach dem ich verlangt hatte, in der Halle aufgespannt war.
    Wir traten in wechselnden Besetzungen gegeneinander an, und wer immer in der Mannschaft des Königs spielte, gewann, denn die Wendigkeit Seiner Majestät hatte sich kaum vermindert, seit wir damals miteinander Tennis spielten, seine Schläge waren immer noch sehr hart und heftig. Aber eigentlich kümmerte es niemanden, wer gewann und wer verlor. Wir waren einfach sehr fröhlich und ausgelassen, wie wir da mit den Schlägern umhersprangen und den Federball jagten, und obgleich wir außer Atem gerieten und Durst bekamen und ich jemanden um Bier und Limonade in die Küche schicken musste, mochten wir nicht aufhören.
    Um Mitternacht spielten wir immer noch. Die einzigen Zuschauerinnen waren Arabella und Margaret – Letztere war noch nicht kräftig genug, um zu rennen und zu schwitzen, und durfte keinen Fieberanfall riskieren. Aber auch diese beiden wurden angesteckt vom Lachen der Spieler und saßen neben den flackernden Kerzen, nippten Limonade und spornten die Mannschaften an. Und ich dachte, dass es auf Bidnold seit sehr langer Zeit keinen so wunderbaren Abend mehr gegeben hatte, und mir schien, als sei all meine Melancholie aus meinem Herzen vertrieben, mit einem Federball in irgendeine weit entfernte Leere geschickt worden.
    Wie von ihm angekündigt, verbrachte der König viele Stunden mit einsamen Parkspaziergängen in der Morgensonne und ebenso viele mit stillen Ruhezeiten im Ringelblumenzimmer. »Hier habe ich Frieden«, sagte er wiederholte Male zu mir, »an diesem Ort habe ich Frieden.«
    Briefe folgten ihm nach, immer mehr im Laufe der Tage, doch er öffnete sie nicht. Er sagte, allein das Wort »Parlament« bringe ihn einer Ohnmacht nahe, »als wäre ich wieder ein Jüngling und im Exil«, und ich musste ihm versprechen, niemandem davon zu erzählen.
    Die Abende verbrachte er mit mir und anderer Gesellschaft, die ich ihm zu seiner Erheiterung verschaffen konnte, darunter auch Lady Bathurst, meine frühere Geliebte Violet, inzwischen verwitwet und recht gealtert, aber immer nochschön auf eine etwas verwitterte Art und geistreich und scharfzüngig wie eh und je.
    Und eines Abends, als wir eine große Menge Wein getrunken hatten, nahm der König sie mit in sein Bett, und als ich mich etwas später zurückzog, hörte ich (und zweifellos auch Margaret ebenso wie alle Dienstboten auf Bidnold) das vertraute Schreien und Kreischen von Violet Bathurst, die sich von keinem Mann berühren lassen konnte, ohne einen kaum zu zügelnden Tumult zu veranstalten.
    Zum Frühstück am folgenden Morgen erschien der König nicht. Violet, sehr blass und mit einem zarten Bluterguss am Hals, trank dünnen Zimttee und bemerkte, an mich gewandt: »Ich habe dir nicht gesagt, Merivel, dass ich sterben werde.«
    »Nun«, entgegnete ich, »wir alle sterben, Violet …«
    »Aber ich sterbe früher als du. Es gibt einen Krebs in meiner Brust.«
    Ich aß gerade Hafergrütze. Ich blickte auf den grauen klumpigen Brei und spürte, wie mir das Essen hochkam. Bevor ich etwas sagen konnte, erklärte Violet: »Nun, da mich der König durchgevögelt hat, kann ich glücklich sterben. Ist es nicht so?«
    Sie lächelte ihr vertrautes herausforderndes Lächeln, das mich einst aufs Angenehmste verzaubern konnte, gegen das ich inzwischen jedoch fast gänzlich gefeit war.
    »Woher willst du wissen, dass das, was du hast, ein Krebsgeschwür ist?«, fragte ich.
    »Nun, es ist ein großes Ding neben meiner Achsel, das da nicht sein sollte. Was sonst könnte es sein? Aber ich habe nicht zugelassen, dass die Hände des Königs es entdeckten, und ich glaube, er hatte viel Vergnügen an mir, so wie einst auch du.«
    »Daran zweifele ich nicht.«
    »Aber er wird wohl nicht wieder zu mir kommen …«
    »Warum nicht?«
    »Ich glaube, ich habe ihn erschöpft!«
    In diesem Augenblick betrat Margaret den Speisesaal, weshalb Violet und ich unser Gespräch über solcherlei Dinge beendeten. Margaret sagte »guten Morgen« zu Violet, blickte sie dabei aber nicht an, weil es ihr, wie ich glaube, unangenehm war, dass sie die nächtliche Raserei gehört hatte, und weil sie nicht wusste, ob diese Geschichte zu

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