Adieu, Sir Merivel
großen Veränderungen im Haus führen würde. Als Violet ihre Abreise bekannt gab, schien meine Tochter deshalb erleichtert.
Ich begleitete Violet zur Tür. Als sie aus dem Haus trat, sagte ich zu ihr: »Ich werde morgen nach Bathurst Hall kommen und deine Brust untersuchen. Vielleicht hast du nur eine Zyste, die ich austrocknen kann.«
Sie strich mir mit der Hand über die Lippen. »Vielen Dank, Merivel«, sagte sie, »auch dafür, dass du mir den König geschenkt hast. Was durfte ich doch für Freuden unter diesem Dach erleben!«
Dann fuhr sie in ihrer Kutsche davon, und ich kehrte zu meiner Hafergrütze, die inzwischen kalt war, und zu Margaret zurück, die sehr still und verhalten war.
»Ich habe einen Entschluss getroffen«, sagte ich. »Morgen werde ich – in Maßen, für ein, zwei Stunden vielleicht – die Besuche bei meinen Patienten wieder aufnehmen. Wirst du den König unterhalten, falls es ihn nach irgendwelcher Unterhaltung verlangt, während ich fort bin?«
»Ja«, sagte Margaret. »Soll ich ihn lehren, Rommé zu spielen?«
Meine bedauernswerten Patienten …
Lange Zeit waren sie Dr. Murdoch ausgeliefert gewesen, den ich seit den Tagen meiner Ausschweifungen kenne. Jetzt ist er alt, und aus Nase und Ohren sprießen ihm Haare wie die Schnurrhaare von Ratten, und ich bedauere die Kranken, die im Bett liegen und angewidert diese Schnurrhaare betrachten und dabei noch fürchten müssen, gekratztoder gepiekst zu werden, wenn Dr. Murdoch sich über sie beugt.
Auch Murdoch arbeitete einst, wie Pearce und ich, am St. Thomas-Spital in London, doch er blieb dort nicht lange und ist, meiner Einschätzung nach, nie ein wirklich guter Arzt gewesen, sondern in einem Nebel von Halbwissen durch sein Leben gestolpert und hat nach Willkür diese oder jene Arznei ausgeteilt.
Er neigt auch dazu, die Patienten miteinander zu verwechseln. Da war etwa jener Mann, der ein große Menge Blut verlor, als er beim Mähen über seine eigenen Füße stolperte und in seine Sense fiel; und was tat Murdoch? Er zapfte ihm noch mehr Blut ab, weil er ihn für einen Patienten mit cholerischen Anfällen hielt – und das nur, weil beide Männer groß und kahl waren. Und so starb der Mann mit der Sense, nachdem kaum noch Blut in seinem Körper war, und seine arme Frau sagte zu mir: »Der Doktor war’s, der hat ihn umgebracht, das steht mal fest.« Doch sie besitzt weder Geld noch Ansehen in der Welt, und deshalb kann sie ihn auch nicht verklagen.
Weil Murdoch seine Patienten bis ins Grab und noch darüber hinaus mit Zahlungsforderungen verfolgt, ist er, trotz seiner bescheidenen Fähigkeiten, sehr reich geworden. Er hat sich ein hübsches Haus in Walsham bauen lassen und tritt auf, als wäre er ein Lord, verlangt von allen und jedem entsprechende Ehrerbietung und hegt eine außerordentliche Abneigung gegen mich, weil ich ein Intimus des Königs bin und Murdoch voller Neid und Eifersucht ist.
Seit einiger Zeit wird Murdoch von Dr. Sims, einem jüngeren Arzt, unterstützt, der auch zu Margaret gerufen wurde, als sie in Sir James’ Haus erkrankte. Weder er noch Murdoch erkannten, dass sie an Typhus litt, woraus ich schließe, dass dieser Sims ebenfalls ein unverständiger Narr und kaum besser als der alte Rattenmann ist. Und ich muss daran denken, wie oft Pearce zu mir sagte, die Hälfte der Ärzte Englandsseien Schwachköpfe, was eine große Tragödie für die Menschen sei.
»Zählst du mich auch zur Kategorie der Schwachköpfe?«, fragte ich.
»Nein«, antwortete Pearce. »Im Gegenteil. Du bist ein sehr guter Arzt – wenn du mit deinen Gedanken dabei bist.«
Diese Dinge gingen mir durch den Kopf, als ich aufbrach, und ein Gefühl der Schuld lastete auf meinem Herzen, weil ich so viele Kranke und Bedürftige den langen bitteren Winter hindurch im Stich gelassen hatte. Hoffentlich hatte sich die Nachricht von Margarets Krankheit verbreitet, und sie hatten mir vergeben.
Der erste Patient, den ich besuchte, war ein Wollhändler namens Mr. Percival Maybury, dessen einzige große Bedrängnis – die, wie er sagte, sein ganzes Leben zerstörte – seine anhaltende Verstopfung war. Und weil er tagein, tagaus nur damit beschäftigt war, einen guten Stuhlgang zu produzieren, der die Schmerzen in seinen Eingeweiden linderte, vernachlässigt er seinen Wollhandel, was ihn an den Rand des Ruins brachte.
Er war sehr dünn geworden. Er sagte mir, Dr. Murdoch habe Klistiere aus bitteren Mandeln verschrieben, doch die hätten »einen
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