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Adieu, Sir Merivel

Adieu, Sir Merivel

Titel: Adieu, Sir Merivel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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die Hunde auf allen vierenkriechend, auf dem Weg ins Bett waren. Ich kenne keine andere Frau, die so in tiefster Seele lüstern war wie Violet Bathurst, und sie brachte auch mich zu den verwegensten Zügellosigkeiten. Hätte Pearce auch nur die Hälfte von dem gesehen, was ich mit ihr anstellte, wäre sein Herz gewiss schon sehr viel früher stehen geblieben.
    Nun wurde ich einmal mehr in ihr Schlafzimmer geführt, einen Raum, den ich gut kannte, der aber plötzlich sehr dunkel geworden zu sein schien; schwere Vorhänge waren vor die Fenster gezogen, und es stank nach dem Öl der Lampen, die an Violets Bett flackerten.
    Dort lag sie nun, das graue Haar zu einem dicken Zopf geflochten, das Gesicht blass, aber mit zwei Rougetupfern auf den Wangenknochen, und streichelte eine graue Katze. Und als ich sie so daliegen sah, befiel mich eine entsetzliche Traurigkeit über die Vergänglichkeit der Zeit, die ihr die Schönheit und mir das Verlangen genommen und uns nur noch als bloße Hülsen dessen zurückgelassen hatten, was wir einmal gewesen waren.
    Ich versuchte, eine freundliche Miene zu machen. Und ich war froh, dass sie, sollte sie tatsächlich im Sterben liegen, zumindest eine Nacht mit dem größten Liebhaber des Landes verbracht hatte. Und als sie mich sah, fühlte sie sich bemüßigt, mir sofort zu erzählen, wie schön diese Nacht gewesen sei und wie der Mund des Königs immer noch »sehr wollüstig war und mir eine Lust so tief wie der Ozean schenkte, Merivel, tiefer als jede Lust, die du mir jemals schenktest, so dass ich nahezu das Bewusstsein verlor«, und wie die Rute Seiner Majestät »so groß und seidig war, wie eine Frau es nur erträumen kann«.
    »Schön«, sagte ich matt. »Ich bin sehr froh, Violet …«
    »Möchtest du denn nicht mehr hören, Merivel?«
    »Gibt es denn noch mehr?«
    »Aber ja, denn er ist ein Liebhaber erstaunlicher neuer Positionen. Möchtest du von ihnen hören?«
    »Nein«, sagte ich. »Ich bin nicht in der Stimmung dafür. Und ich muss bald wieder nach Bidnold zurück. Ich habe den König in Margarets Obhut gelassen.«
    »Oh«, sagte Violet. »Das ist nicht sehr klug. Er wird sicherlich mit ihr anbändeln, und nicht nur das.«
    » Was sagst du da?«
    »Nun ja, ich habe nur festgestellt, was dir doch klar sein müsste. Margaret ist inzwischen eine sehr hübsche junge Frau. Wieso sollte der König da nicht versuchen –«
    »Pscht, Violet!«, rief ich. »Sag nicht so etwas Schreckliches. Der König ist mein Freund und wird nicht über meine Tochter herfallen, während ich meine Patienten besuche.«
    »Woher willst du das wissen?«, konterte Violet. »Mir war schon fünf Minuten nach meiner Ankunft in deinem Haus klar, dass er mich in sein Bett haben wollte. Er ist einfach ein Lüstling, und ich versichere dich, er wird sich an Margaret verlustieren!«
    »Halt, stopp!«, sagte ich und hielt Violet den Mund zu. »Oder ich gehe. Möchtest du mir jetzt deinen infernalischen Knoten zeigen oder nicht?«
    Sie zeigte sich jetzt sehr zerknirscht, küsste mir die Hand und streichelte sie mit ihren Lippen. Dann sank sie in die Kissen zurück, nahm die Katze zum Trost in die Arme und blickte mir mit der allerkläglichsten Miene in die Augen.
    Ich wartete einen Augenblick, bis die Erregung in meiner Brust sich gelegt hatte. Dann hob ich sacht Violets Arm, griff nach einer der Lampen, hielt sie nahe an den Arm und sah in dem gelben Licht das »Ding«, welches sie mir beschrieben hatte, dort, wo ihre linke Brust in die Achselhöhle überging. Es war violettfarben, leicht glänzend und hart bei der Berührung, und ich erkannte sofort, dass es dem Aussehen nach ein Tumor und keine Zyste war, wie ich gehofft hatte.
    Ich spürte sehr deutlich die Stille im Raum, die nur durch das Schnurren der grauen Katze und mein angestrengtes Atmen gestört wurde. Ich nahm meinen Instrumentenkoffer, wählte eine scharfe Nadel und stach damit in das Ding, worauf Violet vor Schmerz schrie und die Katze aus dem Zimmer floh.
    »Es tut mir leid, dass ich dir wehtun muss«, sagte ich. »Wenn es sich um eine Zyste handelt, wird jetzt gleich die Flüssigkeit herausfließen. Ertrag den Schmerz noch einen Augenblick, und dann werden wir sehen …«
    Doch es kam keine Flüssigkeit, als ich die Nadel herauszog. Ich hatte in ein massives, fleischiges Ding gestochen. Sein Anblick war mir zuwider. Am liebsten hätte ich mein Skalpell genommen und es an Ort und Stelle herausgeschnitten, aber ich wusste, dass der Schmerz beim

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