Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Adieu, Sir Merivel

Adieu, Sir Merivel

Titel: Adieu, Sir Merivel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
Vom Netzwerk:
ist erstaunlich korrekt und zutreffend. Denn wie du dich vielleicht erinnerst, war es eine glückliche Rückkehr. Ich hatte geglaubt, ich hätte das Haus verloren, und dann erschien der König mit seiner großen Hundemeute, und es war an eben dem Tag, dass er mir den Westturm zurückgab und sagte, er sei für immer mein.«
    »Ich werde den Jubel in meinem Herzen nie vergessen, Sir Robert …«
    »Wie viele Male habe ich Margaret dort in den weißen Raum mit hinaufgenommen und ihr die Pfautauben auf dem Fensterbrett und den herrlichen Blick auf den Park gezeigt …«
    »Und ich wusste , dass eines Tages wieder alles Euch gehören würde. Ich wusste, dass Seine Majestät es Euch zurückgeben würde.«
    »Nun, ich wusste das nicht. Ich wagte es nicht zu hoffen. Doch nun gehört es wieder mir. Nur Margaret ist entschwunden.«
    »Aber danken wir dem Herrgott, dass sie nicht in den Himmel entschwunden ist.«
    »Richtig. Doch ich fürchte mich vor dem, was ihr widerfahren wird, Will. Für zahllose junge Frauen hat das Hofleben den Untergang bedeutet. Meine Angst ist so groß, dass meine Gliedmaßen an diesem Sessel festzukleben scheinen.«
    Es gelang mir, abends ein wenig Nahrung zu mir zu nehmen, doch im Stillen musste ich ständig denken: »Ich brauche mehr als Nahrung und Wein, um Trost zu finden. Ich brauche irgendeine Art von Vergessen …«
    Dann entsann ich mich, dass ich noch eine beträchtliche Menge Opium in meinem Besitz hatte, das ich vom Apotheker Dunn für Violet Bathursts Operation gekauft hatte, und ohne weiter zu überlegen, ging ich in mein Zimmer, holte es hervor und mischte mir in einem Gefäß eine kräftige Portion Laudanum.
    Ich entkleidete mich, zog mein Nachthemd an und legte mich ins Bett. Der helle Juniabend draußen war erfüllt von lebhaftem Vogelgesang. Ich schlug den Keil auf, blätterte die Seiten um und suchte nach Erwähnungen von Margaret. Hin und wieder bemerkte ich, dass meine Handschrift sehr unordentlich und flüchtig war, als sei ich beim Niederschreiben in großer Eile gewesen.
    Während ich das Laudanum in kleinen Schlucken trank, zwang ich mich, die Passage zu lesen, wie ich Katharines Leib aufschnitt, um Margaret zu entbinden. Und obgleich die Einzelheiten sehr grässlich waren, bewirkte die Beschreibung eine Art Hochgefühl, denn ich wusste, dass ich und ich allein Margaret lebendig auf diese Welt gebracht hatte unddass das Baby ohne meine medizinischen Kenntnisse gestorben wäre. Und deshalb dachte ich: Das immerhin tat ich. Die armselige Summe meines Lebens enthält dieses eine wunderbare Ereignis: Ich rettete Margaret vor dem Tod.
    Ich trank noch mehr Laudanum. Ich stellte mir vor, dass ich wieder jung war (oder beinahe jung, mit vierzig Jahren) und meine Tochter in die Arme nahm, und ich sah die große Schönheit dieser Szene, als wäre sie damals von einem Künstler in einem Bild eingefangen worden, und das Licht in dem Gemälde war weich und golden.
    Als ich nach dieser Traumfantasie erneut die Augen öffnete, sah ich, dass es jetzt wirklich Nacht geworden war. Ich horchte auf das Geräusch von Clarendons Geheul in der Dunkelheit, doch ich konnte nichts hören. Ich wusste, dass mich bald der Schlaf umfangen würde, und legte den Kopf in die Kissen. Das Letzte, woran ich mich erinnere, war das Geräusch vom Keil , der auf den Boden fiel.
    Als ich erwachte, wusste ich nicht, wo ich war und was gerade geschah.
    Ich hörte eine Stimme sagen: »Wacht auf, Sir Robert. Wacht auf!«
    Ich sah das Licht der Morgendämmerung im Fenster und wähnte mich in einem Zimmer in Whitehall, mit einem Brunnen draußen und goldenen Fischen, die im Kreis schwammen.
    »Hier sind Männer«, sagte die Stimme, »und sie sind sehr ärgerlich. Ihr müsst euch ankleiden und hinunterkommen.«
    »Was für Männer?«, brachte ich mühsam hervor.
    »Dorfleute. Bauern. Und sie führen Waffen in Form von Mistgabeln und Schaufeln mit sich und auch eine Art Gewehr.«
    »Was?«
    »Beeilt euch, Sir. Ich rieche, dass Ihr Branntwein genossen habt, aber Ihr müsst aufstehen, ich fürchte, sie kommen sonst hier hereinmarschiert.«
    »Wo bin ich? Bin ich in London?«
    »Nein, Sir. Ihr seid auf Bidnold. So, hier habe ich Euren Rock und die Hosen, Sir. Erhebt Euch freundlicherweise aus dem Bett, damit ich Euch ankleiden kann.«
    Endlich begriff ich, dass die Stimme Will gehörte. Ich blickte hoch in sein faltiges Gesicht, und ein Schimmer von Erinnerung drang in mein Gehirn, das von dem vielen Laudanum, das ich bei

Weitere Kostenlose Bücher