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Adieu, Sir Merivel

Adieu, Sir Merivel

Titel: Adieu, Sir Merivel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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möchte.«
    Schweigen senkte sich über den Salon. Es war spät, und wo noch Kerzen brannten, tropfte das Wachs unablässig in die Halterungen.
    »Ja, das möchte ich«, sagte Margaret.
    Ich stehe im fahlen Mondlicht vor Clarendons Gehege und blicke mich in der hereinbrechenden Dunkelheit suchend nach ihm um. Ich kann ihn atmen hören, sehe ihn aber nicht.
    Dann spüre ich einen Schatten an meiner Seite, und ich weiß, es ist Pearce.
    »Nun«, sagt er mit seiner geisterhaften Stimme, »was wirst du jetzt tun, Merivel?«
    »Ich kann nichts tun«, erwidere ich.
    Ich höre Pearce seufzen – oder vielleicht ist es auch Clarendon, der seufzt, oder die Eschen in der Bäreneinfriedung seufzen …
    »Diese bittere Nacht musste kommen«, flüstert Pearce. »Jetzt wird der König dich hintergehen.«

DRITTER TEIL
Der große Trost

19
    Margaret ist fort.
    Ich begleitete sie nach London und half ihr dabei, sich in den Gemächern der Herzogin von Portsmouth im Whitehall-Palast einzurichten.
    Margarets Raum ist keine dunkle Dachkammer wie die von Celia, sondern ein geräumiges Zimmer. Es gibt ein mit blauem Brokat verhängtes Himmelbett, einen Kamin mit geschnitztem Mahagonirahmen und einen Tisch, auf dem silberne Bürsten und Kämme bereitliegen. Ich stand am Fenster dieses Zimmers und blickte hinunter auf das, was sie nun jeden Tag sehen würde, und ich sah in einem kleinen Hof einen steinernen Brunnen in Form einer Nymphe, die das Wasser aus einer Amphore goss, und der Anblick dieser unschuldigen Gestalt besänftigte mein Herz. In dem Brunnenbecken tummelten sich einige leuchtend goldene Fische um die Füße der Nymphe.
    Die Herzogin von Portsmouth, des Königs geliebte »Fubbs«, gesellte sich zu uns und war sehr liebenswürdig und freundlich, nahm Margaret in die Arme, küsste sie und erklärte, sie werde hier fortan ein wunderschönes Leben führen. Und ich konnte sehen, dass Margaret ihr glaubte und voller Aufregung und Vorfreude war, und ich wollte dieses Glück nicht trüben, indem ich den Argwohn und die Befürchtungen äußerte, die mir immer noch im Kopf herumgingen.
    Fubbs mag vielleicht ein »wunderschönes Leben führen«, aber sie ist keine wunderschöne Frau, und dieser Mangel an Schönheit verstärkte nur noch meine Sorge, dass der König sich Befriedigung bei meiner Tochter holen könnte – oderes schon getan hatte. Fubbs ist klein und mollig, mit großen Augen in einem runden Gesicht und einem krummen Näschen. Sie erinnert mich an eine Waldtaube. Ich sagte zur Waldtaube: »Margaret ist alles, was ich habe.«
    Sie nahm meine Hand und sagte: »Die Frauen in meiner Obhut sind meine kleinen Entlein, und ich bin ihre liebevolle Entenmutter.«
    Ich musste lachen, weil sie eine Vogelmetapher gewählt hatte, wo ich sie doch eben noch im Geiste als Taube bezeichnet hatte, und in diesem Augenblick erschien der König, und wir sanken alle drei in unsere Verbeugungen und Knickse, indes mein schweres Schwert an mir baumelte wie ein loser Zügel an einem Pferd, und der König sagte zu Fubbsy: »Margaret hat mich das Rommé-Spiel gelehrt. Nun bin ich sehr gut darin. Sie wird es dir auch beibringen, wenn du nett zu ihr bist.«
    Der König trug einen schlichten braunen Rock und sah müde aus, und sein Humpeln schien stärker geworden zu sein, seit er Bidnold verlassen hatte. Zu mir sagte er:
    »Ich vermisse Norfolk, Merivel. Wie geht es Clarendon?«
    »So wie immer, Sire«, antwortete ich. »Er ist einsam.«
    Er sah mich mitfühlend an. »Und du wirst jetzt auch einsam sein, wo ich dir Margaret gestohlen habe«, sagte er, »was wirst du also machen?«
    Ich wusste nicht, wie ich antworten sollte. Der Widerhall von Pearce’ geisterhaften Worten, den ich in der Frage des Königs hörte, beunruhigte mich für einen Moment. Mehr noch, ich war bislang kaum in der Lage gewesen, darüber nachzudenken, was ich tun würde außer um den Fortgang von Margaret zu trauern. Im Geiste sah ich mich Stunde um Stunde am Bärengehege stehen und dem Tier dabei zuschauen, wie es traurig am Zaun der Einfriedung entlangtrottete, ohne dass ich gewusst hätte, wie sich sein Schicksal oder meines verbessern ließe. Doch dann hörte ich mich sagen: »Ich habe eine Einladung in die Schweiz, Eure Majestät.«
    »Oh«, sagte der König. »Sehr gut. Aber bist du auch sicher, dass dort keine Giraffen auftauchen?«
    »Giraffen!«, rief Fubbs. »Que voulez-vous dire?«
    »Merivel weiß, was ich damit meine. Er würde sich seine Lustbarkeiten nicht gern durch

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