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Adieu, Sir Merivel

Adieu, Sir Merivel

Titel: Adieu, Sir Merivel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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nicht. Der Bär muss wieder eingefangen werden.«
    »Eingefangen? Eingefangen ? Ich bitte Euch, Sir Robert, beleidigt uns nicht. Wenn Ihr ihn wieder hineinsetzt, was wird er denn anderes tun, als erneut herauskommen?«
    »Ich werde den Zaun erhöhen.«
    »Und unterdessen? Schafe, Ziegen, Hühner … Alle sinddann längst verschwunden in seinem großen Schlund. Und wir in Armut versunken.«
    Ich blickte hilflos zu den Männern, und sie blickten hilflos zu mir.
    »Was soll ich denn tun?«, fragte ich erneut.
    »Er muss sterben«, sagte Mr. Donnerbüchse, dessen Name, wie ich mich jetzt erinnerte, Patchett lautete und der auf einem armseligen Hof außerhalb des Dorfs Bildnold lebte, dort, wo die Felder unter Jakobskreuzkraut erstickten und seine ganze Arbeit darin bestand, dieses Kreuzkraut auszurotten, damit seine Rinder keine Koliken bekamen, doch es kehrte jedes Jahr wieder. »Es tut uns leid«, fuhr Patchett fort, »wenn er Euer Lieblingstier ist. Aber ein Bär ist ein sehr seltsames Lieblingstier, und er muss beseitigt werden.«
    Ich rieb mir die Augen. Meine Übelkeit ließ ein wenig nach. »Armer Clarendon«, dachte ich, »dein ›Beschützer‹ hat dich im Stich gelassen. Ich habe einen Saphirring verkauft, damit du ein besseres Leben hättest, doch ich habe es nicht gut geplant. Alles, was ich getan habe, war, dir ein Stück Land und einige Bäume als Schatten zu geben, aber du bliebst ein Ausgestoßener und kanntest keine Freude.«
    Ich erhob mich. »Ich werde mit euch kommen«, sagte ich, »und euch helfen, ihn zu finden. Aber er muss anständig beseitigt werden. Er darf nicht leiden. Hast du Pulver für deine Donnerbüchse?«
    »Ja, Sir.«
    »Dann benutze es. Ich kenne die Stärke deiner Waffe. Ich habe gesehen, wie einem Mann auf der Straße nach Dover der Kopf damit weggeblasen wurde.«
    Daraufhin murmelten die Männer untereinander. Sie dachten vermutlich, dass ich, der ich so wohlhabend und verzärtelt war, in meinem ganzen Leben sicherlich noch nie etwas Unangenehmes gesehen hätte. Ich hörte mich seufzen.
    Will stand stumm neben mir, und ich schickte ihn nacheinem warmen Rock für mich, denn der Morgen schien mir frisch, und ich zitterte am ganzen Körper.
    »Trinkt einen Schluck Schokolade zur Kräftigung, bevor Ihr aufbrecht, Sir«, sagte Will.
    »Nein«, entgegnete ich. »Den nehme ich bei meiner Rückkehr, um mich zu trösten. Da werde ich ihn gewiss brauchen.«
    Wir wanderten zum Park hinüber. Wir starrten auf das leere Gehege, auf die Spuren der Bärenklauen und das gesplitterte Holz, wo er über den Zaun geklettert war.
    Von dort aus versuchten wir, seiner Fährte im betauten Gras zu folgen, aber sie führte uns nur immer weiter und weiter, bis wir schließlich auf dem Feld landeten, wo das Schaf getötet worden war.
    Wir blieben stehen, und ich schnupperte und witterte, denn Clarendons Geruch war mir mittlerweile sehr vertraut, aber ich konnte nichts riechen. Mir kam die verrückte Idee, dass er schon meilenweit gelaufen war und Bildnold und Norfolk längst hinter sich gelassen hatte, da er wusste, dass er nie mehr zu mir zurückkehren konnte. Und diese Vorstellung – wie er da, ohne Ziel und ohne Absicht, auf einsamen Straßen entlangwanderte – griff mir ans Herz. »Clarendon hat mir vertraut«, jammerte ich im Stillen, »und jetzt bleibt mir nichts anderes übrig, als dieses Vertrauen zu missbrauchen.«
    Es begann zu regnen. In meinem leeren Magen begann ein wütender Schmerz. Doch wir trotteten immer weiter, über grüne Wiesen und Weiden und weite Getreidefelder und Obstwiesen und Schweinepferche und mit Ginster bewachsenes Brachland.
    Weil wir im Kreis gegangen waren, erreichten wir schließlich, ohne Clarendon gesichtet oder gewittert zu haben, das Dorf Bidnold, wo Die fröhlichen Binsenschnitter , eine Schenke, die ich sehr gut kannte, gerade öffnete, und ich sagte zu den Männern: »Lasst uns hier einkehren, und ichwerde uns allen einen ordentlichen Schluck Bier zur Kräftigung kaufen. Dann marschieren wir weiter.«
    Dagegen hatten sie nichts einzuwenden. Wir setzten uns auf Bänke inmitten von Sägemehl und zechten, und niemals hat mir ein Bier so gut geschmeckt, und auch mein armer Magen beruhigte sich. Nachdem ich zwei Krüge geleert hatte, hätte ich mich nur zu gern auf eine der harten Bänke der Binsenschnitter ausgestreckt und geschlafen, doch ich wusste, dass ich Wort halten musste. Also bezahlte ich das Bier, und wir traten wieder hinaus in den trüben Morgen.
    Der Regen

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