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Adieu, Sir Merivel

Adieu, Sir Merivel

Titel: Adieu, Sir Merivel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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ein langhalsiges Wesen verderben lassen.«
    »Was für ›Lustbarkeiten‹, Papa?«, fragte Margaret.
    »Ach, keine«, entgegnete ich, »es ist nur so, dass man, wie Seine Majestät weiß, beim Thema Giraffen nicht vorsichtig genug sein kann!«
    Daraufhin brachen wir beide, der König und ich, in Lachen aus, während die Frauen uns mit jener tiefen Verstörung anblickten, die einen befällt, wenn man von einem Witz zwischen Eingeweihten ausgeschlossen wurde.
    Dann kam für mich der Augenblick, Margaret adieu zu sagen.
    Davor hatte mir über die Maßen gegraut, nicht nur, weil er so traurig sein würde, sondern auch, weil ich fürchtete, mich durch Tränen lächerlich zu machen. Ich korrigierte den Sitz meines Schwerts und begab mich so beherzt, als ginge es um das pünktliche Erscheinen bei der Versammlung der Armenaufseher der Gemeinde Bidnold, zu Margaret. Ich ergriff ihre Hand und bat sie, gut auf sich aufzupassen und mir so oft wie möglich zu schreiben.
    Doch sie zog mich an sich, schlang ihre Arme um meinen Hals und sagte: »Ich liebe dich, mein lieber Papa.« Was meinen Entschluss, nicht zu weinen, ins Wanken zu bringen drohte; also hielt ich sie einen Moment lang fest und küsste ihre Wange, und dann ließ ich sie los und verließ, nach einer etwas ungelenken Ehrerbietungsbezeugung für den König und Fubbs, den Raum.
    Und so kehrte ich einmal mehr (wie oft war ich schon abgereist und wieder zurückgekehrt!) nach Bidnold zurück undsaß in meiner Bibliothek, trank Wein und versuchte, meinen Geist auf zukünftiges Handeln auszurichten, scheiterte jedoch kläglich. All mein Handeln bestand im Dasitzen und Trinken. Ich befand mich in einem derart benommenen Zustand des Nichtstuns, dass ich schon meinte, ich würde mich niemals mehr bewegen können und in meinem Sessel zu Stein werden.
    Nach einer langen Zeit solch versteinerter Reglosigkeit dachte ich bei mir, wie schwer es mir mittlerweile fiel, daran zu glauben, dass ich jemals irgendetwas getan hatte . Als Will den Raum betrat, um nun, da der kühle Sommerabend hereinbrach, ein Feuer zu entfachen, fragte ich ihn: »Sag mir doch, Will, habe ich mich jemals von diesem Stuhl hier weggerührt?«
    »Wovon redet Ihr, Sir Robert?«, entgegnete Will.
    »Mir will scheinen, als säße ich schon immer hier … und als hätte das ganze Leben ohne mich stattgefunden.«
    Will schüttelte ratlos den Kopf. Er machte sich am Aschekasten zu schaffen und sagte: »Nun, Ihr seid einmal mit zwei gebratenen Wachteln in Eurer Rocktasche nach London geritten, und wir konnten die Flecken nie ganz herausbekommen. Aber wenn Ihr nicht glauben wollt, dass Ihr jemals etwas getan habt, warum lest Ihr dann nicht in dem kleinen Buch, das Ihr über Euer Leben geschrieben habt? Darin müssen doch irgendwelche Taten aufgeschrieben sein.«
    Ich blickte zu dem Sekretär, in dem ich den Keil versteckt hatte. In letzter Zeit hatte ich kaum noch daran gedacht, doch nun war ich plötzlich begierig, darin zu lesen, vielleicht auch nur, um mich zu vergewissern, dass ich einmal die Fähigkeit besessen hatte, folgenschwere Ereignisse durchzustehen und doch am Leben zu bleiben.
    Während Wills Feuer zögerlich zum Leben erwachte, ging ich steifbeinig zum Sekretär und öffnete die Schublade, worin der Keil lag. Ich nahm das Buch heraus, das immer noch ganz staubig und mit Mäusekot und Fliegenscheiße beschmutzt war, und ging zu meinem Sessel zurück. Will blickte mich besorgt an.
    »Gibt es da, in Eurem Buch, Sir, irgendeine Erwähnung von mir?«, fragte er.
    »Ja, Will, natürlich«, antwortete ich. »Nicht nur eine. Und sieh mal, hier, kurz vorm Ende, hier habe ich einen Brief kopiert, den du mir geschrieben hast, als ich einmal meinen Besuch auf Bidnold ankündigte, ohne auch nur zu ahnen, dass es jemals wieder mir gehören würde, aber voller Sehnsucht war, es wiederzusehen.«
    »An den Besuch erinnere ich mich, Sir.«
    »Möchtest du hören, was du schriebst?«
    »Ja …«
    »Nun, hier kommt es:
    »Ach, Sir Robert! Ihr könnt nicht wissen, wie sehr wir hier alle, jeder von uns, der sich an Euch erinnert, mit Freude erfüllt sind über dieses große kommende Ereignis, welches Eure Ankunft auf Bidnold ist. Bitte, Sir, seid versichert, dass wir alles sehr hübsch und ordentlich für diese glückliche Rückkehr machen …«
    »Meine Sätze waren nicht sehr gut«, bemerkte Will.
    »Deine Sätze waren ausgezeichnet.«
    »›Glückliche Rückkehr‹ ist doch nicht korrekt, Sir, oder?«
    »Mir scheint, es

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