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Adler und Engel (German Edition)

Adler und Engel (German Edition)

Titel: Adler und Engel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juli Zeh
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sie.
    Glücklicherweise finde ich die Taste zum Auflegen auf Anhieb.
    Als ich nach Hause komme, sitzt sie auf der Couch, schlaff wie ein leerer Sack, und ihre Augen sind klein und rot wie bei einem Albino-Kaninchen. Jacques Chirac läuft mir entgegen und peitscht seinen dünnen Schwanz gegen meine Beine. Ich lege ihm die Hand auf den Kopf. Clara zieht an einer Porzellanpfeife und bietet mir an.
    Ich dachte, du rauchst nicht, sage ich.
    Nur kein Tabak, lallt sie, Gras schon.
    Ich stelle mich dicht vor sie.
    Was soll denn das, frage ich.
    Sie lässt den Kopf zurücksinken und legt ihn auf die Rückenlehne der Couch.
    Das fragst ausgerechnet du?, fragt sie lachend. So kann ich besser nachdenken.
    Über was?
    Dass du Shershah getötet hast, sagt sie, glaube ich dir nicht. Für so was fehlt dir der Mumm.
    Ich zucke die Achseln.
    Wie es dir gefällt, sage ich.
    Aber hast du dir schon mal überlegt, sagt sie, ob deine Freundin vielleicht umgebracht worden ist?
    Du bist ja komplett breit, sage ich.
    Nee, ruft sie, mal im Ernst.
    Ich habe nicht die geringste Lust, darüber zu reden. Ich trete noch einen Schritt vor, meine Knie berühren die Sofakante. Aus Claras Perspektive muss ich turmhoch über ihr aufragen.
    Du meinst, frage ich drohend, jemand hat sich in die Wohnung geschlichen, während sie mit mir am Telephon sprach, und sie erschossen?
    Der kann ja schon in der Wohnung gewesen sein, sagt Clara, als sie dich anrief. Vielleicht kannte sie ihn und hat ihn reingelassen.
    Jessie kannte niemanden in Leipzig, sage ich. Wir sind nur im Dunkeln rausgegangen.
    Dann eben jemand von früher, sagt sie.
    Ich zögere einen Moment. Cooper, ich glaube, die Tiger sind wieder da, denke ich.
    Das ist absurd, sage ich.
    Es ist auch absurd, sagt sie, sich selbst ins Ohr zu schießen, während man ein Telephongespräch führt. So was habe ich noch nie gehört.
    Ich weiß, rufe ich, es IST absurd! NIEMAND macht das. NIE gehört! Ich habe KEINE Ahnung, warum sie es getan hat.
    Vielleicht, flüstert Clara, solltest du versuchen, es herauszufinden.
    Ich lasse mich in die Hocke sinken. Manchmal wird mir schwindelig von der eigenen Körperhöhe. Clara ist unbeeindruckt von meinem Geschrei. Sie muss den Kopf ein bisschen heben, um mich weiter ansehen zu können. Das bereitet ihr Schwierigkeiten. Sie legt sich einen Arm in den Nacken.
    Oder sie ist bedroht worden, sagt sie.
    Du liest zu viele schlechte Krimis, sage ich.
    Ich lese überhaupt nicht, sagt sie, Bücher sind so was von bescheuert.
    Dann eben Fernsehen, sage ich.
    Sie zuckt die Achseln.
    Denk doch mal drüber nach, sagt sie.
    Das ist kein Spiel, sage ich.
    Sie fängt an zu lachen.
    Nee, sagt sie, wahrlich nicht.
    Dein Techniker meint, sage ich, dass ich jetzt bei dir auf dem Objektträger klemme.
    Auf einmal sieht sie gar nicht mehr so bekifft aus. Es gelingt ihr sogar, richtig den Kopf zu heben.
    Er hat mit dir gesprochen?
    Ja.
    Was hat er noch gesagt?
    Dass er sehen will, sage ich, wie weit du kommst.
    Sonst nichts?
    Nein, behaupte ich.
    Sie lässt sich zurücksinken.
    Tom ist ein Spinner, sagt sie. Wahrscheinlich liebt er mich und denkt deshalb, ich sei dumm wie Brot.
    Diese Logik ist mir zu hoch. Ich erhebe mich, gehe ans Regal und reiße zum Spaß ein paar der gelben Klebezettel von den Schallplattenhüllen, 60 bpm steht auf dem einen, 200 bpm auf einem anderen. Auch mein Herzschlag bewegt sich zwischen diesen beiden Frequenzen, schnell und übergangslos wechselnd, wie von einem erfahrenen DJ abgemischt. Ich klebe mir die beiden Zettel auf die Brust.
    Was heißt, wie weit ich komme, ruft Clara, ich komme immer haargenau dahin, wo ich will.
    Sie ist wirklich breit, es stört sie nicht einmal, dass ich ihre Plattensammlung durcheinander bringe. Ich reiße noch zwanzig Zettel ab, sie haften nicht besonders gut auf der Textiloberfläche meines Hemds und fallen zu Boden. Dann verliere ich die Lust.
    Ich bin überzeugt davon, sage ich.
    Als kleines Mädchen, sagt sie, wollte ich immer eine eigene Alarmanlage für mein Zimmer, aber meine Eltern kauften mir keine. Ich beschloss, die Badewanne mit eiskaltem Wasser zu füllen und mich so lange hineinzulegen, bis ich eine bekäme. Meine Mutter sagte, das traust du dich sowieso nicht.
    Im Sommer, sage ich.
    Im Winter, sagt Clara. Sie fanden mich erst nach einer Dreiviertelstunde und brachten mich sofort ins Krankenhaus.
    Und dann hast du eine Alarmanlage bekommen, frage ich.
    Nein, sagt sie, aber sie haben sich bei mir entschuldigt.
    Ihr

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