Admiral Bolithos Erbe
was Neale zugestoßen war. Ich dachte, ich hätte dazugelernt; aber vielleicht geht mir immer noch alles zu sehr unter die Haut. Jetzt werde ich mich wohl nicht mehr ändern, genausowenig wie ich bedenkenlos Menschenleben opfern kann, bloß weil mein Auftrag dies verlangt.« Er wandte sich ihr zu und blickte so aufmerksam in ihr Gesicht, als wolle er es sich für immer einprägen. »An meiner Liebe zu dir ändert sich auch nichts. Die wird immer gleichbleiben. Allerdings hatte ich befürchtet…«
Sie hob die Hand und legte sie auf seine Lippen. »Nicht doch. Ich fuhr mit nach Gibraltar, weil ich wenigstens den Versuch machen wollte, dir zu helfen. Es muß Schicksal gewesen sein, daß wir uns unterwegs begegneten.« Wieder schüttelte sie ihr Haar in den Nacken. »Jetzt bin ich glücklich. Und ich werde auch dich wieder froh machen.«
Bolitho strich über ihr Haar und erinnerte sich daran, wie es in der umgestürzten Kutsche ihr Gesicht verborgen hatte. Auch damals hatte das Schicksal sie zusammengeführt. Also gab es eine höhere Macht und damit auch eine Hoffnung für sie alle.
Ein Steuermann drückte sich hinter ihnen herum und griff immer wieder nervös an seinen Hut. Er mied Bolithos Blick, woraus dieser schloß, daß der Mann von der Kriegsmarine desertiert war, um bei der Ostindischen Handelskompanie bequem unterzuschlüpfen.
»Mit Verlaub, Madam, aber das Boot wartet. Ihre Zofe und Ihr Gepäck sind schon an Bord.«
»Ja, danke.« Noch einmal drückte sie Bolithos Arm, bis ihm ihre Nägel durch den Stoff in die Haut drangen, und flüsterte: »Sei mir nicht böse, mein Liebster, aber wenn ich jetzt nicht gehe, breche ich in Tränen aus. Die Freude ist fast zuviel für mich.« Lächelnd strich sie sich eine Haarsträhne aus den Augen. »Und ich muß mich noch vom Kapitän verabschieden, er war äußerst aufmerksam zu mir. Dein Erscheinen auf der
Benbo
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hat ihn wohl ziemlich eingeschüchtert, fürchte ich.«
Bolitho lächelte. »Ich hätte nie gedacht, daß ich einen Gemüseschiffer wie ihn noch einmal beneiden würde. Aber seit er dich unter seinen Passagieren hatte…«
Fasziniert beobachtete Browne, wie sich die scharfen Linien um Bolithos Augen und Mund milderten. Das mußte Belinda zu verdanken sein, auch wenn sie erst wenige Minuten beisammen waren. Eines Tages würde auch er eine Frau wie Belinda Laidlaw finden, sagte er sich. Dann brauchte er nicht mehr nur von ihr zu träumen.
Dabei kam ihm ein Einfall. Als Bolitho schließlich zur Schanzkleidpforte ging, blickte er auf das größte Boot der
Benbo
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hinab, in dem Belindas Zofe neben einem Berg Gepäck saß und Allday strahlend zu ihm aufschaute.
Verlegen erläuterte Browne: »Na ja, Sir, ich dachte – die Lady des Admirals sollte auch in der Barkasse des Admirals an Land gehen.«
Bolitho sah seinen Adjutanten lange an und legte ihm schließlich dankbar die Hand auf den Arm. »Das war ein guter Einfall, Oliver. Ich werde es Ihnen nicht vergessen.«
Browne errötete. »Da kommt sie schon, Sir.«
Belinda trat zu ihnen an die Pforte und starrte eine ganze Weile auf die grüngestrichene Admiralsbarkasse hinunter. Dann sah sie mit verschleiertem Blick zu Bolitho auf. »Wartet dieses Boot auf mich, Richard?«
Er nickte. »Wenn ich könnte, würde ich dir die ganze Welt zu Füßen legen.«
Mit viel Umsicht half man ihr ins Boot, während die Matrosen mit den geteerten Hüten und karierten Hemden um das Rundholz ihrer senkrecht gestellten Riemen schielten, als sei ein Wesen aus einer anderen Welt zu ihnen herabgestiegen.
Allday reichte Belinda die Hand und führte sie zu einem Kissen auf der Heckducht. Sie ergriff seine mit beiden Händen und sagte leise: »Es macht mich froh, Sie gesund wiederzusehen, John Al lday.«
Allday mußte schlucken und wandte den Blick ab. Sie war zu ihnen gekommen; sie erinnerte sich sogar noch an seinen vollen Namen. Da fiel ihm die Zofe ein, und er zwinkerte ihr zu.
»Absetzen vorn!«
Allday dachte an die gut geschulte Mannschaft des stattlichen Indienfahrers, die ihm oben an der Reling zusah, und dann an seine eigene Bootscrew, die aus Englands Kerkern und Gossen stammte und vom Seekrieg gestählt worden war. Er kam zu dem Schluß, daß er keinen einzigen seiner Männer gegen einen dieser Handelsmatrosen eingetauscht hätte.
»Rudert an!«
»Was hast du jetzt vor, Belinda?« fragte Bolitho und sprach bewußt den geliebten Namen laut aus, den er so oft im Geiste beschworen hatte.
»Mich nach England
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