Admiral Bolithos Erbe
Land ab, wie ich kann, und warte dann, mich gut von der Küste freihaltend, auf Ihre Rückkehr – mit Fischkutter oder ohne.« Er grinste den Leutnant an. »Haben Sie Angst?«
»So wird man schneller befördert, Sir.«
Wieder beugten sich beide über die Seekarte und stellten ihre Berechnungen an.
Der Leutnant hatte seinen Admiral noch nie gesprochen, hatte ihn nur einige Male aus der Ferne gesehen. Aber was machte das aus? Schon morgen mochte ein neuer Admiral den Oberbefehl haben. Der Leutnant warf seinen Säbel auf die Bank, wo bereits seine beiden Pistolen lagen. Und schon morgen konnte er selbst tot sein.
Wichtig waren nur die nächsten paar Stunden.
»Alles klar, Peter?«
»Aye, Sir.«
Sie lauschten nach draußen, wo die Gischt aufs Deck krachte. Scheußliche Nacht für einen Bootsausflug, aber genau richtig für das, was sie vorhatten.
Aber wie dem auch sei: Sie hatten ihren Befehl vom Flaggschiff.
Keine Kämpfernatur
Mit eingezogenem Kopf polterte Leutnant Wolfe unter den niedrigen Decksbalken in die Kajüte, wartete ab, bis Bolitho und Herrick ihre Kursberechnungen auf der Karte fertig hatten, und meldete dann: »Signal von
Rapid
,
weitergeleitet über
Phalarope
,
Sir: ›Haben französisches Fischerboot gekapert, kein Alarm ausgelöst.‹«
Bolitho warf Herrick einen Blick zu. »Das war flotte Arbeit. Die Brigg führt ihren Namen offenbar zu Recht.« Und an Wolfe gewandt: »Signalisieren Sie
Rapid
,
sie sollen die Prise zum Flaggschiff schicken. Je weniger neugierige Augen sie zu Gesicht bekommen, desto besser. Und sagen Sie Kapitän Lapish von mir: gute Arbeit.«
Nachdenklich rieb Herrick sich das Kinn. »Und es ist ohne Alarm abgegangen, wie? Lapish muß von dem schlechten Wetter gestern nacht profitiert haben. Hatte Glück, der junge Teufel.«
»So wird’s gewesen sein«, sagte Bolitho bewußt neutral und beugte sich wieder über die Seekarte. Weshalb auch hätte er Herrick wissen lassen sollen, daß er fast die ganze Nacht wachgelegen hatte aus Sorge um
Rapid
. Schon ein sinnlos geopfertes Me nschenleben wäre zuviel gewesen, das war ihm klar, seit
Sty
x
gesunken und Neale mit so vielen anderen gestorben war. Aber we shalb hätte er Herrick mit seinen Skrupeln beunruhigen sollen?
Statt dessen fuhr er mit dem Finger das große Dreieck auf der Seekarte nach. Ein Schenkel verlief in südöstlicher Richtung von der Belle Ile zur Ile d’Yeu; der zweite erstreckte sich vierzig Meilen weit nach Westen, und der letzte führte mit nördlicher Richtung wieder zur Belle Ile zurück: der Patrouillenkurs seiner drei Fregatten lag dem Land am nächsten, während die Linienschiffe sich weiter seewärts hielten, um eventuell durchgebrochene Franzosenschiffe abzufangen. Als Kundschafter und Kurier zwischen den englischen Einheiten fungierte die kleine
Rapid
.
Lapish mußte sein erfolgreiches Stoßtruppunternehmen sehr genossen haben, denn damit bewiesen seine Männer, daß sie den Kameraden auf den schwerfälligeren Schiffen um Längen voraus waren.
Bolitho überlegte laut: »Die Franzosen müssen bald den ersten Zug machen. Also sollten wir unbedingt erfahren, was in den Küstengewässern vorgeht.« Er blickte auf, weil Browne die Kajüte betrat. »Der erbeutete Fischkutter wird zu uns geschickt. Ich möchte, daß Sie an Bord gehen und ihn genau untersuchen.«
»Darf ich einen Vorschlag machen, Sir?« fragte Browne.
»Natürlich.«
Browne trat an den Tisch. »Wie wir hörten, wurden schon seit Wochen Fischereifahrzeuge zusammengezogen. Das ist durchaus üblich, damit die Fischer unter dem Schutz französischer Wachboote ihrem Handwerk nachgehen können. Wenn Lapish ganz sicher ist, daß niemand die Kaperung des Fischkutters beobachtete, dann könnte das Boot doch mit einer ausgesuchten Crew wi eder zur Küste zurücksegeln und ausspähen, was dort geschieht?«
Herrick stieß einen ungeduldigen Seufzer aus. »Aber klar, Mann! Genau das war doch von Anfang an geplant. Ich dachte, Sie hätten einen neuen Einfall?«
Browne lächelte nur milde. »Mit allem Respekt, Sir: Mein Vo rschlag lautet, den Kutter mit unseren Leuten direkt zwischen die französische Fischereiflotte segeln zu lassen.«
Herrick schüttelte den Kopf. »Das wäre der reinste Wahnsinn. Noch innerhalb der ersten Stunde würden sie auffallen und geschnappt.«
»Nicht, wenn jemand an Bord fließend französisch spräche.« Verzweifelt wandte sich Herrick an Bolitho. »Und wie viele solcher Sprachgenies haben wir an Bord?«
Browne
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