Adorkable - Zwei, die sich hassen und lieben
außerdem in lauter schreienden Großbuchstaben eine detaillierte Anleitung aufgeschrieben, wie »DIE BLEICHE DARF NUR 30 MINUTEN AUF DEM HAAR BLEIBEN, JEANE, SONST WIRD DIR DAS HAAR AUSFALLEN. BESONDERS NACH DEM, WAS BEIM LETZTEN MAL PASSIERT IST. STELL DEN WECKER AN DEINEM TELEFON EIN, UND ZWAR JETZT SOFORT! HAST DU DAS GEMACHT? GEH SOFORT UND MACH ES! «. Ben arbeitete erst seit zehn Wochen in dem Friseursalon,aber er war in Fragen der Haarpflege schon sehr, sehr diktatorisch geworden.
Ich versuchte ehrlich, Bens Anleitung zu folgen, aber er wollte von mir, dass ich mein Haar abteilte und Alufolie benutzte, und am Ende schien es einfacher, mir die ganze Bleiche einfach auf den Kopf zu klatschen und mir einen ganzen Turban aus Alufolie zu gestalten, nachdem ich meinen Telefonwecker gestellt hatte. Die Bleiche biss in meine Kopfhaut und trieb mir die Tränen in die Augen, sodass es sehr schwierig war, mir die Dokumentation über das Rock-’n’-Roll-Mädchen-Camp vom letzten Sommer anzusehen. Ich hatte dort Workshops angeboten, wie man Magazine und Webseiten erstellt und wie man sich ein Rock-’n’-Roll-Star-haftes Selbstwertgefühl aufbaut.
Es war ein Kracher gewesen, aber ich zuckte zusammen, als ich plötzlich in einem Wonder-Woman-T-Shirt auf dem Bildschirm erschien und anfing, darüber zu schwafeln, wie man … Ich weiß noch nicht mal, welche Perlen der Weisheit mir dort aus dem Mund fielen, denn alles, worauf ich hören konnte, war der monoton dröhnende Klang meiner Stimme. Sogar wenn ich sehr aufgeregt war, und ich war sicher, dass ich sehr aufgeregt gewesen war, weil ich die ganze Zeit diese stechenden Bewegungen mit meinen Händen machte, klang ich, als wäre ich kurz davor, in ein Langeweile-Koma zu fallen.
Ein Klopfen an der Tür rettete mich davor, noch mehr von der Dokumentation meines Scheiterns ansehen zu müssen. Ich hatte noch zehn Minuten, bis ich die Bleiche auswaschen konnte, mein Haar mit einer speziellen klebrigen Schmiere spülen und dann den Toner auftragen sollte, also musste ich den Besucher, wer auch immer es war, schnell loswerden. Obwohl Sonntagmorgen war, waren es vielleicht Gottesfürchtige, die wissen wollten, ob ich Jesus Christus als meinen ganz persönlichen Herrn und Retter schon angenommen hatte, was ich absolut nicht habe. Mrs Hunter-Down im Erdgeschoss ließ sie immer herein.
»Ja?«, sagte ich, als ich die Tür öffnete, in der Hoffnung, dass mein mürrischer Gesichtsausdruck und mein Alu-Helm jeden Evangelisten zweimal darüber nachdenken lassen würden, ob die aggressive Verkaufstaktik bei mir die richtige wäre, aber ich hätte mir gar keine Mühe geben müssen, denn es waren Gustav und Harry von nebenan, und keiner von ihnen beiden kannte die Bedeutung des Wörtchens Nein.
»Hey, neuer Look, Jeane«, donnerte Harry, als er sich an mir vorbeidrängelte. »Sieht super aus. Schmeichelt deinen blauen Augen. Heute ist dein Glückstag, wir haben Putzzeug mitgebracht und gehen nicht eher, als bis wir deinen Teppich wieder sehen können.«
»Es ist doch gar nicht so unordentlich«, protestierte ich, was eine schamlose Lüge war, denn sogar der Bereich an der Eingangstür war mit ungeöffneter Post und Prospekten und Take-away-Verpackungen vermüllt.
»Außerdem haben wir Gemüse eingekauft«, sagte Gustav, als er mit einem stählernen Flackern in den Augen durch die Tür trat. »Ich werde dafür sorgen, dass du es isst und auch ein Glas Milch dazu trinkst. Du bist mitten im wichtigsten Stadium deiner Entwicklung und brauchst viel Kalzium.«
»Ich werde aber nicht mehr größer als jetzt«, heulte ich fast, obwohl ich genau wusste, dass es sinnlos war. Gustav war Österreicher und Personal Trainer. Wenn er zu einer Sache eine Entscheidung gefällt hatte, ob ich gedünsteten Brokkoli essen sollte(igitt, würg, würg, würg), oder er den liebenswürdigen, freundlichen Harry, seinen australischen Boyfriend, davon überzeugte, dass sie vorbeikommen und mich zwingen sollten, die Hälfte all meiner weltlichen Güter wegzuschmeißen – Widerstand war zwecklos. »Könnte vielleicht ein bisschen Kakaopulver in dem Glas Milch sein, Gustav? Wäre das nicht möglich?«
»Da könnte ich dich auch gleich reinen Zucker essen lassen«, sagte Gustav mit einem Schütteln und seine Muskeln kräuselten sich vor Abscheu. »Hier fangen wir an.« Er drückte mir drei Müllsäcke in die Hand. »Recycling, Müll und Zeug, ohne dass du absolut nicht leben kannst.«
Ich wusste aus bitterer
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