Adorkable - Zwei, die sich hassen und lieben
so verdammt großartig geworden wäre, wie ich es heute bin, wenn ich nicht schon vonklein auf gelernt hätte, dass ich selbst die einzige Person bin, auf die ich mich verlassen kann. Obwohl, vielleicht bin ich auch bloß dorky geboren und stolz darauf. Wer weiß? Jeder hat ein Kindheitstrauma, oder?«
Michael schüttelte den Kopf. »Ich glaube, ich bin ziemlich traumafrei.« Er spitzte die Lippen, als er darüber nachdachte, ob er sich an irgendein traumatisches Ereignis erinnern konnte. »Na ja, wenn man mal davon absieht, dass ich die ersten zehn Jahre meines Lebens ein Einzelkind war, bis Melly plötzlich aufkreuzte. Nachdem ich so lange unangefochten an erster Stelle gestanden hatte, war das ein echter Schock.« Sein Gesicht hellte sich auf. »Ich glaube, die verrückteste Sache in unserer Familie ist, dass Melly und Alice biologisch gesehen eigentlich Zwillinge sind.«
»Wie ist das denn möglich? Ich denke, Melly ist sieben und Alice ist – wie alt? Fünf?«
»Na ja, ich kenne die Einzelheiten nicht ganz genau, aber Mum und Dad hatten Probleme, noch ein Kind zu zeugen, nachdem ich auf die Welt gekommen war, also versuchten sie es mit künstlicher Befruchtung und ließen einige der restlichen Embryonen einfrieren, bekamen Melly, tauten später die anderen wieder auf, und Alice war da.«
»Ich verstehe trotzdem noch nicht, warum sie das zu Zwillingen macht«, sagte ich, und wenn Michael versucht haben sollte, mich von meinem eigenen »Warum musste mir das nur passieren?« abzulenken, dann hatte es, bei Gott, funktioniert.
»Auch Melly konnte das nicht verstehen, als Mum und Dad es ihr erzählten; sie fingen mit dieser ganzen Sache von den Spermien und den Eizellen an, was Melly nur noch mehr verwirrte, und dann wollte Alice auch noch wissen, warum man sie dennfür zwei Jahre im Kühlschrank aufbewahrt hatte.« Michael hielt mit Mühe ein Lachen zurück. »Ich hab die beiden mal dabei erwischt, wie sie auf einem Stuhl vor dem Kühlschrank standen und im Gefrierfach herumwühlten, um nachzusehen, ob sich hinter den Fischstäbchen noch irgendwelche anderen kleinen Babys in Reagenzgläsern versteckt hätten.«
Ich konnte nicht anders, ich kicherte los, obwohl ich mich zwang, damit aufzuhören, sobald es möglich war. »Ich denke, wenn das deine engste Berührung mit einem Kindheitstrauma ist, dann war das zumindest eins von der netteren Sorte der Traumata. Na ja, und deine Mutter und dein Vater betreiben diese ganze Elternsache natürlich ziemlich aktiv.« Ich erschauerte. »Also das wäre etwas, womit ich überhaupt nicht umgehen könnte. Da ziehe ich doch Pat und Roys gutmütige Vernachlässigung vor.«
»Ich glaube, wir sind auf dem Weg in die nächste Diskussion«, kündigte Michael an und setzte sich auf. Mir graute davor, was er als Nächstes sagen würde. Normalerweise liebe ich einen ordentlichen Schlagabtausch, aber heute fühlte ich mich für noch mehr Hickhack zu ausgewrungen.
»Warum?«, fragte ich misstrauisch.
»Weil meine Mutter und ihr überfürsorglicher Erziehungsstil im Moment genau genommen auf mich einen verdammt guten Eindruck machen.« Er klang selbst so überrascht, dass er in der Mütterabteilung vielleicht tatsächlich einen Hauptgewinn gezogen haben könnte, dass ich wieder anfing zu kichern. »Was ist denn daran so lustig?«
»Du«, sagte ich und glitt vom Schreibtischstuhl, um mich dann gleich weiter auf seinen Schoß schlängeln zu können und ihn nach hinten zu drücken, sodass er auf dem Rücken landete undich seine Arme über seinem Kopf festhalten konnte. »Man kann dir alles ganz genau im Gesicht ablesen. Ich weiß immer, was du denkst.«
»Weißt du nicht«, brummelte Michael und unternahm einen harmlosen symbolischen Versuch, sich zu befreien. Dabei versuchte er es nicht einmal richtig. »Ich kann manchmal sehr geheimnisvoll sein.«
»Nein. Kannst du nicht. Das bist du wirklich nicht«, prustete ich los und kam ins Keuchen, denn jetzt versuchte Michael wirklich, sich aus meinem kläglichen Haltegriff zu befreien. »Du bist null Komma null geheimnisvoll. Und nebenbei gesagt, geheimnisvoll zu sein, wird sowieso total überbewertet.«
Klar, Michael hatte vielleicht ein paar Probleme, die er seinem Kontrollfreak von Mutter und seinem irrsinnigen Bedürfnis danach, von allen geliebt zu werden, zu verdanken hatte, aber alles in allem war er für mich wie ein offenes Buch. Und noch nicht mal ein Buch mit besonders vielen besonders langen Wörtern.
»Du kannst ein solches
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