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Adrenalin - Iles, G: Adrenalin - The Devil's Punchbowl

Titel: Adrenalin - Iles, G: Adrenalin - The Devil's Punchbowl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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Herz rast. »Wahrscheinlich ist es ein Streifenwagen, und mein Auto wird überprüft.«
    Tim hockt nun auf den Fußballen. Hastig rafft er die Fotos vom Boden auf, legt sie in eine Ecke der Grabstätte und setzt sie mit seinem Feuerzeug in Brand. »Verdeck das Licht mit deinem Körper«, befiehlt er.
    Während ich gehorche, überquert er im Krebsgang zwei Gräber und schiebt den Kopf über den Rand der Mauer. Die Fotos kringeln sich bereits zu glühender Asche.
    »Kannst du was sehen?«, frage ich.
    »Noch nicht. Wir sind zu tief drin.«
    »Lass mich einen Blick auf die Leute werfen.«
    »Auf keinen Fall. Bleib da.«
    Wütend über seine Paranoia, springe ich auf und klettere über die Mauer. Bevor ich sechs Meter zurückgelegt habe, höre ich das blecherne Kreischen eines Polizeifunkgeräts. Mir fällt ein Stein vom Herzen, aber Tim ist wahrscheinlich kurz davor, die Flucht zu ergreifen. Ich trabe zu der Bank unter dem Flaggenmast und spähe über den Rand des Jewish Hill.
    Ein Einsatzwagen steht mit laufendem Motor hinter meinem Saab. In dem Einsatzwagen sitzt ein Polizist, der in sein Funkgerät spricht. Zweifellos lässt er mein Nummernschild überprüfen. In ein paar Sekunden wird er erfahren, dass das Auto dem Bürgermeister gehört, wenn er es nicht schon wusste. Nun steigt er aus seinem Wagen und knipst eine starke Taschenlampe an. Er lässt den Strahl über die Friedhofsmauer gleiten und richtet ihn dann auf die Hecke direkt unter dem Jewish Hill. Die Lampe ist hell genug, um einen sich drehenden Engel in seinem gespenstischen Tanz über den Toten erstarren zu lassen.
    Ich habe die Wahl, so lange zu warten, bis der Mann abfährt, oder ihm gegenüberzutreten, und entscheide mich für die zweite Möglichkeit. Zum einen wird er vielleicht nicht weiterfahren, sondern einen Abschleppwagen kommen lassen, zum anderen bin ich der Bürgermeister, und es geht niemanden etwas an, was ich hier mitten in der Nacht zu suchen habe. Ich könnte ja, von Depressionen geplagt, das Grab meiner Frau besucht haben.
    Als der weiße Strahl den sich drehenden Engel verlässt und sich zu mir herauftastet, jogge ich zurück zu dem ummauerten Grab, das Tim und mir Schutz geboten hat. Mein alter Freund ist so leise verschwunden, wie er erschienen war. Der Geruch von verbranntem Papier liegt immer noch in der Luft, und zwei winzige Aschestücke glühen orange in der Ecke der Grabstätte. Es sind die einzigen Überreste der Indizien eines Falles, von dem ich nicht weiß, wie ich ihn anpacken soll. Schließlich bin ich kein Staatsanwalt mehr, sondern Bürgermeister. Und niemand weiß besser als ich, wie wenig Macht ich wirklich habe.

4
    J ulia Jessup beobachtet, wie ihr sieben Monate alter Sohn in der Krippe schläft, die ihre Schwägerin aus San Diego geschickt hat. Sie beneidet ihren kleinen Jungen darum, dass er so fest schlafen kann, während sein Vater fort ist. Eine makellose, glänzende Speichelblase bildet sich beim Ausatmen auf seinen Engelslippen und platzt beim Einatmen. Julia versucht ein Lächeln, aber sie bringt es nicht ganz zustande. Irgendwo zwischen ihrem Bauch und ihrem Herzen hat sich Furcht eingenistet – wie ein Wurm, der ihr Inneres auffrisst. Tim hat versprochen, dass alles glattgehen und dass er sicher zurückkehren wird, aber Julias Furcht schenkt ihm keinen Glauben.
    Sie hat einen langen Weg zurückgelegt, bevor sie diesen Ort erreicht hat, diese kleine Zuflucht vor der Härte der Welt. Vor gefühlten hundert Jahren heiratete sie ihren Highschool-Freund, den Footballstar und Teenieschwarm der Schule. Der Golden Boy schwängerte sie mit neunzehn Jahren, heiratete sie eine Woche später und infizierte sie zwei Wochen vor der Geburt des Babys mit Herpes. Julia fand es heraus, als das Baby sich während der Geburt ebenfalls ansteckte und acht Tage später unter Todesqualen starb. Danach war es schwierig, an ihren romantischen Illusionen festzuhalten. Aber sie hatte es versucht.
    Sie litt, während er mit seinen idiotischen Freunden durch die Kneipen zog und sich mit geistlosen Schlampen vergnügte, sich während der Jagdsaison in den Wäldern herumtrieb, an Paintball-Turnieren teilnahm oder angelte, wobei sie manchmal in einem von Moskitos umwölkten Fischerboot neben ihm saß, schwitzte und ihm zusah. Aber letzten Endes musste sie sich der Tatsache stellen, dass sie sich nicht mit einem Mann, sondern mit einem Jungen verbunden hatte und dass ihre gemeinsame Zukunft bedeutete, ihn mit jedem Flittchen zu teilen, das

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