Adrenalin - Iles, G: Adrenalin - The Devil's Punchbowl
Anzeichen von Menschen?«
»Ungefähr vierzig Meter nördlich von uns ist ein Schuppen«, antwortet er. »Kein Licht. Daneben scheint eine Schaukel zu stehen.« Wir bahnen uns einen Weg zwischen den Baumstämmen hindurch; dann sagt Kelly: »Ich sehe ein paar Bänke und Stühle.«
Auf dem Fluss lag die Kühle des Herbstes in der Luft, doch hier ist der Abend mit dem Geruch grüner Blätter gesättigt. Ich bin ins Schwitzen gekommen. Es ist, als wären wir in eine schwülfeuchte Gegend geraten, wo der Sommer nie endet.
Kelly flucht, als ich gegen seinen Rücken stolpere. Er steht unbeweglich da und hat lauschend den Kopf geneigt. Ich öffne den Mund, doch er reißt eine Hand hoch und flüstert: »Eine Sekunde. Gleich verstehst du mich.«
Er hat recht. Ein Todesgeruch erreicht mich: scheußlich und kräftig genug, um den grünen Duft zu ersticken, den ich noch vor ein paar Momenten genossen habe. Es ist kein fremdartiger Geruch; es ist der Gestank, der sich nicht vermeiden lässt, wenn man langsam an einem seit zwei Tagen toten Gürteltier vorbeifahren muss.
»Die Gegend scheint verlassen zu sein«, flüstere ich.
Kelly senkt das Fernrohr, reckt den Hals und dreht den Kopf wie eine sich in Zeitlupe bewegende Meerkatze. »Nein, irgendetwas ist hier. Etwas Lebendiges.«
»Ein Reh?«
»Lass uns nachsehen.«
Ich habe kein Verlangen, mich dem zu nähern, was den Gestank hervorbringt. Aber als Kelly sich vorwärtsschiebt, wird mir klar, dass ich noch weniger geneigt bin, hier allein zurückzubleiben.
Während ich ihm folge, wird der Todesgeruch überwältigend. Ich kann den Würgereflex kaum unterdrücken. Hinter der Verwesungsfäulnis verbirgt sich ein beißender Ammoniakgestank, der die Nasenlöcher geradezu verbrennt. Ich drücke meine linke Armbeuge ins Gesicht, vergrabe die Nase im Jackenärmel und betrachte das Wenige, was ich im Mondlicht sehen kann.
Da ist das Schaukelgestell, das Kelly erwähnt hat. Es hat den üblichen Dreiecksrahmen wie eines, das meine Eltern in den Sechzigerjahren bei Western Auto kauften, doch an der Querstange ist keine Schaukel angebracht, sondern mehrere robuste Metallfedern und kurze Ketten. Sie enden in Haken, und an den Metallfedern baumeln große Karabiner. Fünfzehn Meter rechts von mir befindet sich eine Vorrichtung, die wie ein antikes Spielplatzgerät wirkt. Sie hat zwei Metallarme, die aus einer Mittelsäule ragen. Die Säule soll offenbar rotieren, damit die Arme einen Kreis beschreiben. Aber ich kann das Rätsel der Funktion nicht lösen. Einer der Arme verjüngt sich zu einem Haken, und eine kurze Kette hängt an dem zweiten, ungefähr einen Meter dahinter.
»Was soll das alles?«, flüstere ich.
»Es dient zur Abrichtung der Hunde«, murmelt Kelly und knipst eine Taschenlampe mit einem roten Filter vor der Linse an. »Sie befestigen Dinge, die die Hunde haben wollen, an den Haken und Federn. Die Pitbulls springen hoch, beißen zu und hängen stundenlang dort. Dadurch werden ihre Kiefer gestärkt.«
»Was ist das für ein Gerät, das wie ein selbstgemachtes Karussell aussieht?«
»Das willst du nicht wissen.«
»Doch.«
Kelly richtet den roten Lichtstrahl auf die merkwürdige Maschine und geht darauf zu. »Siehst du den vorderen Arm?« Er zeigt auf den, der in einem Haken endet. »Sie hängen Körbe mit einem Kätzchen oder etwas anderem darin an den Haken. Dann ketten sie den Hund an den Arm hier hinten. Die Katze wird natürlich wahnsinnig vor Angst, und der Hund jagt sie, wobei er gegen den Widerstand der Maschine ankämpft.«
»Mein Gott.«
»Es ist eine Art Hunderennen – allerdings mit dem Unterschied, dass der Hund, wenn er lange genug gelaufen ist, die Katze töten darf. Manchmal benutzen sie nicht einmal einen Korb, sondern hängen das Ködertier an den Haken. So was habe ich in Kabul gesehen. Ich glaube, das Ding wird als Spindel oder so ähnlich bezeichnet.«
Plötzlich verschwindet der rote Lichtstrahl, und ich spüre Kellys Hand auf meinem Arm.
»Was ist?«, frage ich und merke, dass mein Herz einen Sprung macht. »Hast du irgendwas gehört?«
»Eine Katze, glaube ich. Hör zu.«
Er hat recht. Neben dem Zirpen von Insekten höre ich ein leises Wimmern wie hinter Mülltonnen an einem Schnellimbiss.
»Ich glaube, es kommt aus dem Schuppen«, sagt Kelly. »Los!«
Ich folge ihm widerwillig, wobei ich immer noch über die Spindel nachdenke.
Kelly legt die Entfernung zum Schuppen rasch zurück, doch mein rechter Fuß kracht gegen einen Eimer auf
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