Adrenalin - Iles, G: Adrenalin - The Devil's Punchbowl
die Hündin hinunter, dann zurück zu Kelly.
»Du wolltest unbedingt mitkommen«, sagt er und blendet mich mit der Taschenlampe. »Wenn du die Sache beenden willst, dann mach.«
Das ist ganz untypisch für Kelly. Wann immer wir zusammengearbeitet haben, war er bereit, jede notwendige schmutzige Arbeit zu erledigen. Ich habe unsere Beziehung nie völlig verstanden, genauso wenig wie seine Motivation, mehr als seine Pflicht zu tun. Er hat sich immer an einen privaten Kodex gehalten, den ich zu durchschauen glaubte. Es ist so, als wären wir gemeinsam eine vollständige Person mit einem rationalen Verstand; eine Person, die ihre Entscheidungen unerbittlich durchsetzen kann. Aber in der Vergangenheit ist Kellys Bereitschaft, andere zu töten, nur dann zum Ausdruck gekommen, wenn er mich oder auch meine Familie beschützen musste. Die jetzige Situation fällt aus jenen Grenzen heraus. So gesehen, ist es wahrscheinlich die weniger riskante Entscheidung, den Hund qualvoll sterben zu lassen. Aber ich merke, dass Kelly Mitleid mit dem Tier hat. Stellt er mich auf die Probe? Will die eiserne Faust instinktiv den Geist testen, der sie zum Einsatz bringt? Oder will Kelly herausfinden, ob ich meine Vernunft durch meine Gefühle außer Kraft setzen lasse? Da es keine klare Antwort auf irgendeine dieser Fragen gibt, gehe ich auf den Baum zu und greife nach dem Schläger. Dabei bin ich mir sicher, dass der Letzte, der dies tat, den hilflosen Hund zu dem elenden Häufchen zusammengeprügelt hat, das nun vor mir kauert.
»Moment«, sagt Kelly.
Ich stehe über dem zitternden Tier und warte darauf, dass mir der Schläger aus den Händen genommen wird.
»Danny glaubt, etwas gefunden zu haben. Mhm … Richtig … Wie weit?« Er schaut auf seine Uhr. »Verflucht, das können wir tun. Wir kommen mit den Booten … Nein, nein, wenn du uns zu dicht bei ihnen absetzt, werden sie den Hubschrauber hören. Bleib weit genug weg. Wenn sie vor unserer Ankunft verschwinden, dann versuch, ein Nummernschild zu lesen, aber lass sie nicht wissen, dass du dort bist. Ich werde unsere Koordinaten unterwegs funken … In Ordnung. Out.«
»Was ist los?«, frage ich.
»Danny hat vorhin auf dem FLIR etwas Verdächtiges entdeckt. Hinter der Stelle, an der das VIP -Schiff kehrtgemacht hat. Er ist zurückgeflogen und hat sich die Sache genauer angesehen. Es ist ein großes Metallgebäude, das Hitze ausstrahlt. Davor stehen zwei SUV s mit Männern darin, die wie Chauffeure am Lenkrad sitzen und warten.«
»Was könnte das sein?«
»Der heutige Hundekampf. Ich glaube, sie haben versucht, uns reinzulegen. Sie wussten, dass wir dem Schiff folgen könnten, deshalb haben sie das An- und Abreiseproblem anders gelöst.«
»Wo sind sie?«
»Auf einer Insel. Ungefähr acht Kilometer flussabwärts.«
»Acht Kilometer?«
»Ja. Wenn wir uns anstrengen, können wir in zwanzig oder fünfundzwanzig Minuten da sein.«
»Ist der Kampf dann nicht schon vorbei?«
»Nicht unbedingt. Ein einzelner Hundekampf kann zwei Stunden oder länger dauern. Aber wir haben keine Zeit zu verlieren. Stell den Schläger wieder hin, und lass uns weiterfahren.«
»Verdammt, Kelly, erschieß das Tier. Wir können es in den Fluss werfen, und sie werden nichts davon erfahren.«
»Blödsinn. Hunde sind für diese Leute nicht mit Katzen zu vergleichen. Dieses Tier ist bestraft worden, wahrscheinlich weil es einen Kampf verloren hat. Sie wissen, dass die Hündin sich nicht bewegen kann, und wenn sie zurückkehren, werden sie erwarten, ihre Leiche hier vorzufinden. Komm schon.«
Kelly macht zwei Schritte zurück, wendet sich jedoch nicht um. Ich spüre das Gewicht seiner Blicke auf mir. Zwischen uns ist eine bedeutungsschwangere Spannung entstanden, aber ich werde kein hilfloses Geschöpf töten, nur weil mich jemand auf die Probe stellt. Ich trete mit dem linken Fuß über das Hinterteil der Hündin hinweg, stemme den Fuß an eine Baumwurzel, packe den mit Band umwickelten Griff mit beiden Händen und hebe ihn über meine rechte Schulter. Die Hündin wirft den Kopf zurück und versucht, meinen Blick einzufangen, doch bevor es ihr gelingt, schwinge ich den Schläger mit aller Kraft und ziele auf die Stelle am Hals, wo das Rückgrat in den Schädel übergeht. In der von Adrenalin erfüllten Sekunde, als der Schläger seinen Bogen vollendet, will mein Instinkt, dass ich die Augen schließe, aber ich halte sie offen, um eine weitere Folter zu vermeiden.
Der Schläger dröhnt beim Aufprall
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