Adrenalin - Iles, G: Adrenalin - The Devil's Punchbowl
nicht, doch ein Ruck durchfährt meine Arme und erschüttert mein Rückgrat bis zum Becken, während ein Knacken, wie wenn ein Junge auf einen durchnässten Ast gestampft hätte, durch die Bäume widerhallt. Das schreckliche Pfeifen ist verstummt. Die Hündin liegt regungslos da. Ich stolpere zurück zu dem anderen Baum, lehne den Schläger an den Stamm und marschiere an Kelly vorbei zum Fluss.
Während ich die Knie ins Cockpit meines Kajaks zwänge, tritt er ins seichte Wasser und schaut auf mich herab. »Du hast das Richtige getan. Aber ich glaube, das reicht für heute Abend. Nun sollte ich die Sache übernehmen.«
Ich stoße die Beine vor, stemme die Füße an die Pedale, reiße an dem Bändsel, sodass mein Ruder nach unten gedrückt wird, und stoße mich von der Sandbank ab. »Wir treffen uns dort unten.«
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W alt Garrity nimmt einen Schluck eiskalten Whisky und schaut sich im riesigen Glücksspielsaal der Magnolia Queen um. Die meisten Casinoschiffe sind schwimmende Scheunen, die man mit Spielautomaten und ein paar Spieltischen gefüllt hat, doch die Pracht der Magnolia Queen erinnert an die Tage der schwimmenden Paläste, die nach dem Bürgerkrieg auf dem Fluss kreuzten. Die Queen besitzt einen hundert Meter langen Salon im Stil der sogenannten Dampfschiff-Gotik: mit gotischen Bögen, Oberlichtern aus Buntglas, vergoldeten Hängelampen und acht massiven Kronleuchtern. Gewiss, man findet hier Hunderte von Spielautomaten, doch auch Tischspiele jeglicher Art.
Walt verbringt den ersten Teil des Abends damit, die gleiche Schau wie gestern auf der Zephyr abzuziehen, indem er sich am Craps-Tisch hervortut und unsinnige Trinkgelder verteilt. Er lässt sich weiterhin von Nancy begleiten, denn seit der Szene in seinem Wohnmobil haben sie ein Einverständnis über den sexuellen Teil ihrer Beziehung, das er nicht mit einer Prostituierten nach der anderen herstellen möchte.
Sie ist ein paar Meter von ihm entfernt und verspielt ganze Packen von Penn Cages Geld am Blackjack-Tisch. Walts häufige Abwesenheit scheint ihr nichts auszumachen, solange sie pausenlos mit Jetons und Alkohol versorgt wird. Wahrscheinlich setzt sie voraus, dass ein Mann seines Alters wiederholt die Toilette aufsucht. In Wirklichkeit hat Walt das schwimmende Casino von Golden Parachute beiläufig, aber sehr gründlich inspiziert. Dies ist heute schon ihr zweiter Besuch auf der Queen . Zum ersten Mal sind sie nach dem Mittagessen erschienen, wonach sie an Bord der Zephyr und der Evangeline gingen. Wie Walt zu seiner Freude feststellte, rechtfertigte die reiche Ausstattung der Magnolia Queen die Tatsache, dass J. B. Gilchrist den größten Teil seines Aufenthalts in Natchez hier und nicht auf den weniger bedeutenden Schiffen verbringt.
Bei seinem ersten Besuch bekam Walt Jonathan Sands zweimal zu Gesicht: zuerst, als er auf der Rolltreppe vom Oberdeck herunterfuhr, wo sich Sands’ Büro befindet, wie Walt nun weiß, und danach im Kassenkäfig, wo er mit ein paar Angestellten redete. Trotz seines Maßanzugs bewegte Sands sich wie ein wachsames, geschmeidiges Tier durch eine Herde schwächerer, weniger intelligenter Geschöpfe. Die meisten Spieler auf dem Schiff tappen herum wie Kunden in einem Einkaufszentrum; ihre Blicke sind auf die Spielautomaten, die Tische oder die jungen Frauen gerichtet, die so zahlreich zu sein scheinen. Sands’ Augen dagegen entgeht nichts. Er stellte sogar lange genug Blickkontakt mit Walt her, um zu bemerken, dass er auf der Rolltreppe beobachtet wurde. Obwohl Walt ihm nur zweimal begegnet ist, begreift er, dass es schwierig sein wird, den Iren zu überlisten, geschweige denn in eine Falle zu locken.
Auch Walt schenkt den Frauen einige Aufmerksamkeit. Mehrere der jüngeren sind Chinesinnen und arbeiten als Prostituierte, wie er aus ihrem Verhalten ersieht. Nancy hat dies auf Walts Frage hin bestätigt und dabei reichlich Eifersucht erkennen lassen. Anscheinend wird dieser Vorzug der Magnolia Queen immer bekannter bei Geschäftsleuten von auswärts, die es wenig kümmert, dass die Mädchen kaum oder gar kein Englisch sprechen. Walt kann ihr Interesse verstehen. Als junger Soldat verliebte er sich 1953 während eines längeren Urlaubs in Kobe in ein japanisches Mädchen. Die meisten Frauen, die er in Korea kennengelernt hatte, waren Prostituierte, doch Kaeko arbeitete als Krankenschwester, und er begegnete ihr in einem Restaurant. Walt hatte seine Highschool-Freundin vor der Abreise geheiratet und geschworen, ihr im
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