Adrenalin - Iles, G: Adrenalin - The Devil's Punchbowl
nicht … die Hunde …«
»Ich bringe sie ins Bett«, sage ich, denn Caitlin ist dem Zusammenbruch nahe. »Dad, ich möchte, dass du sämtliche Polizisten anrufst, die du je behandelt hast, damit sie einen Ring aus Stahl um dieses Haus legen. In ein paar Minuten spreche ich mit Logan. Kelly …«
»Ich bin dabei. Wir sind im Kriegszustand. Verdammt, das wird auch Zeit.«
Dad greift bereits nach dem Telefonhörer.
Zu meinem Erstaunen erlaubt Caitlin mir, sie ins Gästezimmer im Erdgeschoss zu tragen. Nachdem ich die Decken zurückgezogen habe, hebt sie die Arme, damit ich ihr das schweißgetränkte T-Shirt ausziehen kann. Dann schlüpft sie aus ihrer Hose und schiebt sich unter das Laken.
»Haben sie dir wehgetan?« Es erstaunt mich, wie sehr ich mich vor der Antwort fürchte.
Sie liegt auf der Seite und blickt ausdruckslos auf meine Hüfte. »Eigentlich nicht. Aber die Dinge, die ich gesehen habe … was sie Linda angetan haben … Ich wünschte, ich hätte zugelassen, dass Kelly die beiden tötet. Quinn …« Caitlin hebt eine zitternde Hand, als müsse sie ihre Augen vor einem grässlichen Anblick schützen. »Er hat mich gezwungen zuzuschauen, wie er Linda vergewaltigt hat. Und sie war krank. Ich verstehe es nicht.«
Ich streiche ihr sanft übers Haar. »Jenseits einer gewissen Grenze gibt es kein Verständnis mehr. Manchmal muss man solche Leute nach ihren eigenen Maßstäben bekämpfen.«
Sie lässt die Hand fallen und drängt die Tränen zurück, als wäre sie immer noch Zeugin abscheulicher Gräuel. »Ja, das habe ich jetzt begriffen. Ich werde nie wieder der Mensch sein, der ich war. Und ich werde nie wieder so wie früher mit dem Opfer eines Verbrechens reden.«
»Denk jetzt nicht darüber nach. Versuch, dich auszuruhen.«
Sie schließt die Augen und öffnet sie sofort wieder.
»Du bist sicher, dass Linda tot ist?«, frage ich.
Caitlin blinzelt. Dann bebt ihr Kinn, und Tränen strömen ihr übers Gesicht. »Penn … ich musste ihre Leiche benutzen, um fliehen zu können.«
Ich verstehe diese Worte nicht ganz, doch irgendetwas hindert mich, sie nach Einzelheiten zu fragen.
»Um die Hunde abzulenken«, flüstert sie. »Ich … ich glaube nicht, dass noch etwas von ihr zu finden ist.«
Ich lege meine Hand auf ihre Stirn und flüstere: »Pssst«, als wäre sie Annie.
Caitlin wischt sich die Nase und sieht mich nach Vergebung heischend an. »Ich habe versucht, sie zur Flucht zu überreden. Ich habe mich so angestrengt. Aber sie hatten sie zerbrochen, verstehst du? Linda war am Leben, aber in Wirklichkeit war nichts mehr von ihr übrig.«
»Was immer du getan hast, ich bin sicher, es war das Richtige.«
Sie presst die Augen zusammen und nickt. »Linda hätte es niemals geschafft. Das wusste sie. Jetzt begreife ich, wie tapfer sie war. Sie hat ihr Leben für mich geopfert.«
»Ich möchte, dass du nicht mehr daran denkst. Du wirst es nie vergessen, aber du musst jetzt eine Weile abschalten. Du bist am Leben, und du hast es verdient. Das können nicht alle Überlebenden von sich sagen. Ich muss jetzt zu den anderen. Ruf mich, wenn du nicht schlafen kannst.«
Sie versucht vergeblich zu lächeln. »Wird gemacht.«
Ich stehe langsam auf, erschüttert über den Anblick dieser Frau, die so stark sein kann und nun der Hilflosigkeit so nahe ist.
»Tust du mir einen Gefallen?«, fragt sie leise.
»Jeden.«
»Ich will, dass Seamus Quinn stirbt.« Caitlin umklammert mein Handgelenk und drückt zu, bis ihr Arm zuckt. »Und er soll nicht einfach sterben, sondern vorher leiden.«
Ich nicke, antworte aber nicht.
»Versprichst du mir das?« Ihre Augen leuchten im Schatten.
»Warten wir ab, wie du dich fühlst, wenn du ein bisschen geschlafen hast. Dann reden wir darüber.«
Ihre Augen verharren mehrere Sekunden auf meinem Gesicht; dann lässt sie mein Handgelenk los und dreht sich um. »Nichts wird meine Meinung ändern«, sagt sie ruhig.
»Wir sehen weiter, wenn du aufwachst.«
63
A bgebrannte Häuser erinnern mich an Leichen. Sie erzeugen das gleiche Gefühl sinnloser Vergeudung und ausgelöschter Leben. Häuser, in denen eine Familie gewohnt hat, sind die schlimmsten. Über eine versengte Puppe oder ein halb verbranntes Fotoalbum zu stolpern bringt stets einen scharfen Stich der Trauer hervor, ganz zu schweigen von dem Wissen, dass Talismane der Vergangenheit, abgesehen vom Leben selbst, unsere wahren Schätze sind.
Ben Lis Haus ist von anderer Art. Das bescheidene Holzgebäude am Park Place,
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