Adrenalin - Iles, G: Adrenalin - The Devil's Punchbowl
ist Caitlin lebendig, oder sie ist tot. Sie kehrt zurück oder nicht. Und zurzeit haben wir keinen Einfluss auf das Ergebnis.«
»Sie ist am Leben«, behauptet Dad nachdrücklich. »Das weiß ich. Ich fühle es.«
Mein Vater hat nie mystische Anwandlungen gehabt. »Du fühlst es? Warst du es nicht, der mich gelehrt hat, dass jeder, der stirbt, für immer tot ist?«
»Ja. Aber manchmal fühle ich Dinge und weiß, wie sie sein sollten.«
»Und was fühlen Sie jetzt?«, fragt Kelly.
Dad nimmt meine Hand und drückt sie kräftig. »Caitlin wird noch lange zu dieser Familie gehören. Ich weigere mich, eine andere Möglichkeit zu akzeptieren.«
Ein paar Sekunden lang schenke ich ihm tatsächlich Glauben. Dann setzt Kelly sich aufrecht hin, packt seine Pistolen und springt auf. »Draußen ist jemand.«
Er hat recht. Jemand klopft leise an die Haustür. Mit Kelly an der Spitze gehen wir zur Eingangshalle. Kelly winkt uns zurück, lehnt sich an die Wand neben der Tür, wobei er die Pistole am Bein nach unten hält, und fragt: »Wer ist da?«
»Walt«, antwortet eine Männerstimme. »Walt Garrity.«
Wir tauschen verblüffte Blicke. Kelly öffnet die Tür und richtet seine Pistole auf den Spalt. Eine Sekunde später zerrt er Walt durch die Tür und schließt sie hinter ihm.
»Was ist passiert?«, frage ich. »Gibt’s was Neues über Caitlin?«
Walt schüttelt enttäuscht den Kopf. »Nichts. Tut mir leid, Jungs. Ich bin am Ende.«
»Wie meinst du das?«
»Meine Beteiligung an dieser Unternehmung ist vorbei.«
»Setzen wir uns erst mal in die Küche«, schlägt Kelly vor. »Möchten Sie Kaffee, Walt?«
»Da sage ich nicht nein. Ich habe eine lange Fahrt vor mir.«
In der Küche nimmt Walt rechts von meinem Vater Platz, und ich setze mich ihm gegenüber hin, während Kelly den Kaffee einschenkt. Walt hält die Hand über die Tasse, um anzuzeigen, dass er ihn schwarz trinkt.
»Also, was ist passiert?«, frage ich.
»Der Hundekampf hat heute Abend stattgefunden, wie ich angekündigt habe. Ich war dabei. Nahm zur Tarnung eine Hure mit, wie jeden Abend. Zuerst ein weißes Mädchen aus dem Ort. Hab ihr am Ende immer ein hohes Trinkgeld gegeben und sie dann nach Hause geschickt. Aber heute hatte ich eine andere. Wie auch immer, als ich zu dem Kampf erschien, schien Kelly recht zu haben: Sie wollten mich auf die Probe stellen. Es waren nur ein paar Trottel da, die zwei Pitbulls gegeneinander antreten ließen. Außerdem gab’s Kämpfe zwischen Schweinen und Hunden. Alles aus der untersten Schublade. Plötzlich wurde der Kampf abgebrochen, weil die Typen anscheinend erfahren hatten, dass jemand den Fluss mit einem Hubschrauber abflog.«
»Das waren wir.«
»Hatte ich mir gedacht. Danach habe ich der Prostituierten gesagt, wir sollten zurück zum Hotel fahren. Ich war mir sicher, dass ich von ihr mehr über Caitlin erfahren konnte als von jedem anderen.«
»Die erste Prostituierte war eine Weiße, sagten Sie«, wirft Kelly ein. »War dieses Mädchen eine Schwarze?«
»Nein. Eine Chinesin. Auf Sands’ Schiff sind ziemlich viele Chinesinnen, und ich dachte, sie könnte wegen der Verbindung mit Po Insiderinformationen haben. Ihr Englisch war recht kümmerlich, aber sie wirkte irgendwie … anders. Sie hat mich an ein Mädchen erinnert, das ich während des Krieges in Japan kannte.« Walt blickt meinen Vater an. »Kaeko – erinnerst du dich? Das Mädchen in Kobe, von dem ich dir erzählt habe?«
Dad nickt.
»Dieses Mädchen hieß Ming, und …« Walt verstummt plötzlich.
»Was ist in Ihrem Zimmer passiert?«, hakt Kelly nach.
»Ich weiß nicht genau. Eigentlich wollte ich bloß mit ihr reden, aber als wir eintrafen, zog sie ihr Kleid aus und kroch ins Bett. Ich sagte, dass ich mich nur mit ihr unterhalten wolle, aber dann fing ich an zu reden. Ich erzählte ihr von Kaeko, von meinem Urlaub in Japan und so weiter. Sie hörte zu, wobei sie mir Jackett und Hemd auszog. Sie wurde ganz still, als sie den Derringer an meinem Hals sah. Aber dann lächelte sie und nahm ihn mir ab, als wäre es nichts Besonderes. Sie stieß mich aufs Bett, setzte sich auf mich … und dann geschah es.«
»Was?«, fragt Dad.
»Sie richtete sich auf und sprach mit einer ganz anderen Stimme. Binnen einer halben Sekunde klang sie nicht mehr wie eine Nutte aus Hongkong, sondern wie Greer Garson. Forderte mich auf, zurück nach Texas zu reisen, wenn ich am Leben bleiben wollte.«
Mit einer bösen Vorahnung stehe ich auf, gehe an den Tresen
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