Adrenalin - Iles, G: Adrenalin - The Devil's Punchbowl
und sortiere die Seiten, die Lutjens in dem FedEx-Paket geschickt hat.
»Das Mädchen hat meinen Derringer mitgenommen«, sagt Walt. »Sie hat ihn auf mich gerichtet, als sie aus dem Zimmer verschwand.«
»Was genau waren ihre Worte?«, will Kelly wissen.
»›Du bist weit weg von zu Hause, Alter. Fahr zurück nach Texas, wenn du weiterleben willst.‹«
»Ming, die Unbarmherzige«, flüstert Dad.
»Ming, die Barmherzige«, verbessert Kelly ihn.
Walt betrachtet mich neugierig, als ich das Zimmer durchquere und ihm ein 13 mal 20 cm großes Foto von Jiao Po reiche. Dann mustert er es zwei Sekunden lang. »Genau. Ich werd verrückt. Wer ist das?«
»Jonathan Sands’ Freundin. Die Nichte von Edward Po.«
Walts Kopf ruckt hoch. Seine wettergegerbten Wangen sind gerötet.
»Jiao hatte den Auftrag, Sie zu töten«, sagt Kelly. »Oder jedenfalls die Voraussetzungen dafür zu schaffen. Irgendetwas hat sie in letzter Minute daran gehindert.«
Walt wird blass.
»Ich wette«, fährt Kelly fort, »das Zimmermädchen hätte Sie morgen früh tot aufgefunden, wie nach einem Herzinfarkt. Ein bisschen Viagra neben dem Bett … Schluss, aus, vorbei.«
»Warum hat sie es nicht getan?«, frage ich.
Walt schnaubt und schüttelt den Kopf. »Weil sie gemerkt hat, dass ich ein schlappschwänziger alter Trottel bin, der sich zu viel zugemutet hat. Verdammt, das ist schwer wegzustecken.«
»Wären Sie lieber tot?«, fragt Kelly.
»Vielleicht«, murmelt Walt. »Was für ein flaues Ende.« Er schaut meinen Vater und dann mich an. »Ich habe euch kein bisschen geholfen. Hab nur einen Haufen von eurem Geld verloren. Ich weiß immer noch nicht, wie sie mir auf die Schliche gekommen sind.«
»Sie könnten dir gestern hierher gefolgt sein«, gebe ich zu bedenken.
»Nein, da bin ich mir sicher.«
»Hatten Sie etwas mit der weißen Nutte?«, fragt Kelly. »Sexuell, meine ich?«
»Nein. Ich habe ihr gesagt, dass ich zu alt bin, ihn noch hochzukriegen, und das war ihr ganz recht. Weniger Arbeit für das gleiche Geld.«
Kelly reibt Daumen und Zeigefinger mit einem Schmirgelpapiergeräusch aneinander. »Trotzdem, wenn sie mit einem der anderen Mädchen darüber gesprochen hätte, könnte es Interesse geweckt haben. Ich bezweifle, dass viele Freier gutes Geld hinlegen, ohne am Ende des Abends irgendetwas zu verlangen. Wenigstens einen kleinen Striptease, wenn nicht einen Blowjob.«
»Schon möglich«, gibt Walt zu. »Aber ich glaube nicht, dass sie es ausgeplaudert hätte. Sie wollte mich für sich selbst haben. Warum eine leichte Beute teilen?«
»Es spielt keine Rolle mehr«, sage ich. »Du hast getan, was du konntest, Walt. Sands ist ein ausgekochter Mistkerl. Wahrscheinlich hast du zu schnell und zu kräftig nachgefasst.«
»Ich werde ungeduldig auf meine alten Tage.«
Kelly lächelt ermutigend. »Nein, Sie werden zu anständig für diese Arbeit. Hätten Sie die erste Nutte ordentlich durchgevögelt, wäre niemand misstrauisch geworden.«
Walt runzelt immer noch die Stirn. »Es war das Mädchen. Ming oder Jiao oder wie sie heißt. Sands hat sie auf mich angesetzt, und sie hat mich mühelos durchschaut. Ehrlich gesagt, ich fühle mich im Moment ein bisschen wackelig. Kelly hat recht. Heute Abend war ich kurz davor abzukratzen, ohne es zu wissen.«
Dad steht langsam auf und tätschelt seinem alten Freund tröstend die Schulter. »Das bedeutet, dass dein Glück anhält, Walt. Ein Grund zum Feiern.«
Der alte Ranger schüttelt den Kopf. Sein Bedauern, versagt zu haben, ist beinahe mit Händen zu greifen. »Nein. Es ist eine klare Botschaft, dass es Zeit wird, dass ich mich zur Ruhe setze.«
»Willst du wirklich noch heute Nacht zurückfahren?«
»Ja. Ich möchte das Hotelzimmer nie wiedersehen. Ich könnte dort sowieso nicht schlafen. Zu viel Stoff zum Nachdenken. Und Carmelita hat Geduld mit mir gehabt. Ich muss zurück nach Texas.«
Dad verschwendet keine Zeit auf den Versuch, seinen Freund zum Bleiben zu bewegen. Er weiß, dass Walt seine Entscheidung getroffen hat. »Was können wir für dich tun?«
»Begleite mich zur Tür. Das ist alles.«
Wir stehen auf und folgen ihm in die Halle. »Eine ganz schön miese Leistung, die ich da abgeliefert habe.« Walt schüttelt allen die Hand. »Aber verliert nicht den Mut. Kelly, Sie haben den alten Satz ›Ein Aufruhr, ein Ranger‹ an dem Tag zitiert, als wir uns kennengelernt haben. Ich werde Ihnen das wirkliche Motto nennen, nach dem wir Ranger uns gerichtet haben.« Es wird
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