Adrenalin - Robotham, M: Adrenalin - The Suspect
Abteilung. Ich war die untergebene Hälfte unseres Teams, eine Tatsache, auf die er mich bei jeder Gelegenheit hinwies. Mel war die mit Bobbys Fall betraute Sozialarbeiterin gewesen.
»Der erste Hinweis kam von einer Lehrerin«, erklärt sie. »Die Mutter wollte zuerst nichts sagen. Als sie die medizinischen Beweise gesehen hat, ist sie zusammengebrochen und hat uns erklärt, dass sie ihren Mann verdächtigt.«
»Kannst du mir die Akte besorgen?«
Ich sehe, dass sie mich fragen will, warum. Gleichzeitig weiß sie, dass es wahrscheinlich sicherer ist, ahnungslos zu bleiben. Geschlossene Familienakten werden in Hatton Gardens gelagert, wo Sozial- und Jugendamt der Stadt Liverpool ihren
Hauptsitz haben. Die Akten werden achtzig Jahre aufbewahrt und können nur von entsprechenden Mitarbeitern der Behörde, befugten Einrichtungen oder Mitarbeitern des Gerichts eingesehen werden. Jede Akteneinsicht wird protokolliert.
Mel betrachtet ihr Spiegelbild in dem Teelöffel. Sie muss eine Entscheidung treffen. Wird sie mir helfen oder ablehnen? Sie sieht auf die Uhr. »Ich muss ein paar Anrufe machen. Komm um halb zwei in mein Büro.«
Sie küsst mich zum Abschied auf die Wange, und ich bestelle für die Wartezeit einen weiteren Kaffee. Inaktivität ist am schlimmsten, weil man zu viel Zeit zum Nachdenken hat. Dann titschen wahllose Gedanken durch meinen Kopf wie Tischtennisbälle in einem Krug, Julianne ist schwanger. Wir brauchen ein Sicherheitsgatter vor der Treppe. Charlie will im Sommer zelten gehen. Welche Verbindung besteht zwischen Bobby und Catherine?
Ein weiterer Transporter – aber er ist nicht weiß. Der Fahrer wirft einen Packen Zeitungen auf den Bürgersteig vor dem Café. Die Schlagzeile lautet: »Belohnung im Mordfall McBride.«
Mel hat einen aufgeräumten Schreibtisch mit jeweils einem Stapel zu erledigender Dokumente auf jeder Seite. An ihrem Computer kleben Sticker, ausgeschnittene Schlagzeilen und Cartoons. Einer zeigt einen bewaffneten Räuber mit einer Pistole, der sagt: »Geld oder Leben!« Das Opfer antwortet: »Ich habe weder Geld noch Leben. Ich bin Sozialarbeiter.«
Wir befinden uns im dritten Stock der Abteilung für soziale Dienste. Die meisten Büros sind leer, die Mitarbeiter im Wochenende. Aus Mels Fenster blickt man auf ein halb errichtetes Warenhaus aus Fertigmodulen. Sie hat mir drei Akten besorgt, die alle von einem roten Band zusammengehalten werden. Sie gibt mir eine Stunde, bis sie vom Einkaufen zurückkommt.
Ich weiß, was ich zu erwarten habe. Wenn man an irgendetwas
herumbastelt, ist es die oberste Regel, alle Einzelteile aufzubewahren, und so verfahren auch die sozialen Dienste. Wenn sie im Leben anderer Menschen herumpfuschen, werden alle Entscheidungen sorgfältig dokumentiert. Es gibt Befragungen, Familiengutachten, psychologische Berichte und medizinische Diagnosen. Es gibt sowohl Protokolle jeder Fallkonferenz und Strategiebesprechung als auch Kopien der Polizeiakten und Gerichtsbeschlüsse.
Wenn Bobby also eine Zeit lang in einem Heim oder einer psychiatrischen Abteilung untergebracht war, wird das irgendwo festgehalten sein. Es wird Namen, Daten und Orte geben, durch die ich mit ein wenig Glück eine Verbindung zu Catherine McBrides Fall herstellen kann.
Die erste Seite ist ein Protokoll des Anrufs von der St.-Mary’s-Schule. Ich erkenne Mels Handschrift. Bobby hat »in letzter Zeit Verhaltensauffälligkeiten gezeigt«. Er hat sich nicht nur eingenässt und die Hose beschmutzt, sondern auch »unangemessen sexuelles Verhalten« an den Tag gelegt, indem er sich die Unterhose ausgezogen und mit einem siebenjährigen Mädchen Geschlechtsverkehr simuliert hat.
Mel hat die Informationen an den Bereichsleiter gefaxt und gleichzeitig bei einem Mitarbeiter des zuständigen Ortsamts nachgefragt, ob Bobby, seine Eltern oder irgendwelche Geschwister bereits aktenkundig geworden waren. Da diese Nachfrage ohne Ergebnis blieb, eröffnete sie eine neue Akte. Die Verletzungen beunruhigten sie am meisten. Sie konsultierte den stellvertretenden Leiter Lucas Dutton, der die Entscheidung traf, eine Ermittlung einzuleiten.
Das entsprechende Formular ist wegen seines roten Randes leicht zu finden. Darauf sind Bobbys Name, Geburtsdatum, Adresse und Angaben zu Eltern, Schule, Hausarzt und bekannten gesundheitlichen Problemen erfasst. Auch die Personalien der stellvertretenden Direktorin, die die Erstmeldung gemacht hatte, sind aufgenommen.
Mel hatte eine gründliche medizinische
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