Adrenalin - Robotham, M: Adrenalin - The Suspect
Untersuchung veranlasst. Dr. Richard Legende fand »zwei bis drei etwa 15 Zentimeter lange Striemen auf beiden Pobacken«, die von »zwei oder drei Schlägen mit einem harten Gegenstand wie z. B. einem nietenbesetzten Gürtel« herrühren könnten.
Bobby hatte während der gesamten Untersuchung verstört gewirkt und sich geweigert, irgendwelche Fragen zu beantworten. Dr. Legende stellte darüber hinaus älteres vernarbtes Gewebe im Analbereich fest. »Ob diese Verletzung durch einen Unfall oder durch vorsätzliche Penetration verursacht wurde, ist nicht klar«, schrieb er. In einem späteren Bericht legte er sich dann auf die entschiedenere Diagnose fest, dass die Narben »für einen Missbrauch sprechen«.
Bridget Morgan wurde befragt. Sie reagierte zunächst feindselig und warf den Sozialarbeitern Übereifer vor. Als man ihr von Bobbys Verletzungen und Verhalten berichtete, begann sie, ihre Antworten zu relativieren und Entschuldigungen für ihren Mann vorzubringen.
»Er ist ein guter Mann, aber er kann nicht anders. Wenn er wütend wird, verliert er die Kontrolle.«
»Hat er Sie jemals geschlagen?«
»Ja.«
»Und was ist mit Bobby?«
»Er kriegt das Schlimmste davon ab.«
»Womit schlägt er Bobby?«
»Mit einem Hundehalsband … Er bringt mich um, wenn er erfährt, dass ich hier bin … Sie wissen ja nicht, wie er ist…«
Als man sie nach dem unangemessenen sexuellen Verhalten Bobbys befragt, bestreitet Bridget kategorisch, dass ihr Mann etwas derartiges getan haben könnte. Ihre Proteste wurden im Laufe der Befragung schriller, bis sie unter Tränen verlangte, Bobby zu sehen.
Alle Beschuldigungen von sexuellem Missbrauch müssen der Polizei gemeldet werden. Nachdem man ihr das erklärt hatte,
wurde Bridget Morgan noch ängstlicher. Sichtlich verzweifelt gab sie zu, dass sie sich Sorgen über die Beziehung ihres Mannes zu Bobby machen würde, was sie jedoch nicht weiter ausführen konnte oder wollte.
Bobby und seine Mutter wurden zur offiziellen Zeugenvernehmung in die Polizeiwache in der Marsh Lane gebracht. Dort wurde auch eine Strategiebesprechung abgehalten. Anwesend waren Mel Cossimo, ihr direkter Vorgesetzter Lucas Dutton, Detective Sergeant Helena Bronte und Bridget Morgan. Nachdem sie einige Minuten mit Bobby allein verbracht hatte, akzeptierte Mrs. Morgan die Notwendigkeit einer Ermittlung.
Ich blättere ihre Aussage vor der Polizei durch und versuche, den Kernpunkt ihrer Vorwürfe herauszuarbeiten. Sie behauptete, dass sie Bobby vor zwei Jahren ohne Unterhose auf dem Schoß ihres Mannes hatte sitzen sehen. Ihr Mann hatte nur ein Handtuch um die Hüften und schien Bobbys Hand zwischen seine Beine zu schieben.
Im vergangenen Jahr hatte sie häufig festgestellt, dass Bobby keine Unterwäsche trug, wenn sie ihn zum Baden auszog. Nach dem Grund gefragt, hatte er geantwortet: »Daddy mag es nicht, wenn ich eine Unterhose anhabe.«
Des weiteren behauptete die Mutter, dass ihr Mann nur badete, wenn Bobby wach war, und immer die Badezimmertür offen stehen ließ. Häufig lud er Bobby ein, mit ihm zu baden, aber der Junge machte Ausflüchte.
Obwohl das für sich genommen keine besonders belastende Aussage war, konnte sie in den Händen eines guten Staatsanwalts hinreichend vernichtend sein. Als Nächstes erwarte ich Bobbys Aussage zu finden, doch sie ist nicht da. Ich blättere einige Seiten weiter, finde jedoch nirgendwo eine Erwähnung einer offiziellen Befragung, was wiederum erklären konnte, warum nie Anklage gegen Lenny Morgan erhoben wurde. Stattdessen stoße ich auf ein Videoband und einen Stapel handschriftlicher Notizen.
Die Zeugenaussage des Kindes ist entscheidend. Wenn es nicht zugibt, belästigt worden zu sein, ist der Erfolg einer Verurteilung gering. Entweder müsste der Täter den Missbrauch selber gestehen oder der medizinische Befund so eindeutig sein, dass er nicht widerlegt werden kann.
Mel hat in ihrem Büro einen Videorekorder und einen Fernseher. Ich ziehe die Kassette aus dem Pappkarton. Auf dem Etikett steht Bobbys Name sowie Ort und Datum der Befragung. Als die ersten Bilder über den Bildschirm flimmern, sehe ich in der unteren linken Ecke die Uhrzeit eingeblendet.
Ein Gutachten in einem Fall von Kindesfürsorge unterscheidet sich schon durch die zeitliche Beschränkung stark von einer normalen Patientenkonsultation. Häufig dauert es Wochen, um das Vertrauen aufzubauen, das ein Kind braucht, um seine innere Welt langsam zu offenbaren. Eine Begutachtung muss
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