Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Adrenalin - Robotham, M: Adrenalin - The Suspect

Adrenalin - Robotham, M: Adrenalin - The Suspect

Titel: Adrenalin - Robotham, M: Adrenalin - The Suspect Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Robotham
Vom Netzwerk:
der Tastsinn früher und geht später wieder, aber ein Geruch wird unmittelbar ans Gehirn übertragen.«
    Sie deckt zwei Porzellantassen und füllt eine Keramikkanne mit kochendem Wasser. Die Teeblätter werden zwei Mal durch ein silbernes Sieb gefiltert, bevor sie mir die Tasse über den Tisch schiebt.

    »Sie lesen also keine Teeblätter?«
    »Sie wollen sich wohl über mich lustig machen, Professor.« Sie ist nicht beleidigt.
    »Vor fünfzehn Jahren waren Sie Lehrerin an der St.-Mary’s-Schule. «
    »Für meine Sünden.«
    »Erinnern Sie sich an einen Jungen namens Bobby Morgan?«
    »Selbstverständlich.«
    »An was erinnern Sie sich?«
    »Er war ziemlich intelligent, aber ein wenig verlegen wegen seiner Größe. Einige der anderen Jungen haben ihn ständig gehänselt, weil er nicht gut in Sport war, aber er hatte eine wunderbare Singstimme.«
    »Sie haben den Chor geleitet.«
    »Ja. Einmal habe ich vorgeschlagen, dass er Gesangsunterricht nehmen sollte, aber seine Mutter war nicht besonders zugänglich. Ich habe sie nur einmal in der Schule gesehen. Sie hat sich darüber beschwert, dass Bobby ihr Geld aus dem Portemonnaie gestohlen hatte, um damit für einen Ausflug ins Liverpool Museum zu bezahlen.«
    »Was ist mit seinem Vater?«
    Sie sieht mich fragend an. Offenbar sollte ich etwas wissen. Sie überlegt, ob sie weitersprechen soll.
    »Bobbys Vater durfte nicht in die Schule kommen«, sagt sie. »Gegen ihn wurde eine gerichtliche Verfügung erlassen, als Bobby in der zweiten Klasse war. Hat Bobby Ihnen das alles nicht erzählt?«
    »Nein.«
    Sie schüttelt den Kopf. Perlen schwingen hin und her. »Ich habe damals Alarm geschlagen. Bobby hat sich im Verlauf weniger Wochen zwei Mal während des Unterrichts eingenässt. Dann hat er seine Hose beschmutzt und sich den halben Nachmittag in der Jungentoilette versteckt. Er wirkte verstört. Als ich ihn gefragt habe, warum, wollte er nichts sagen. Ich habe
ihn zur Krankenschwester der Schule gebracht. Sie hat eine saubere Hose für ihn aufgetrieben. Dabei hat sie die Schwielen an seinen Beinen entdeckt. Es sah aus, als wäre er geschlagen worden. «
    Die Krankenschwester informierte vorschriftsgemäß die stellvertretende Direktorin, die wiederum das Jugendamt benachrichtigte. Ich kenne das Verfahren in- und auswendig. Eine Sozialarbeiterin würde den Fall aufgenommen und mit ihrem Abschnittsleiter erörtert haben. Die Dominosteine begannen zu fallen – medizinische Untersuchungen, Befragungen, Vorwürfe, Leugnen, Fallbesprechungen, Erkenntnisse zum »Gefährdungspotential«, vorübergehender Entzug des Sorgerechts, Einsprüche – und so fiel ein Stein gegen den nächsten.
    »Erzählen Sie mir von der gerichtlichen Anordnung«, bitte ich sie.
    Sie erinnert sich nur an ein paar karge Details. Vorwürfe sexuellen Missbrauchs, die der Vater abstritt. Gerichtliche Aussetzung des Umgangsrechts. Die Begleitung von Bobby zwischen den Unterrichtsstunden.
    »Die Polizei hat ermittelt, aber ich weiß nicht, wie es ausgegangen ist. Die stellvertretende Direktorin hat mit den Sozialarbeitern und Polizisten gesprochen.«
    »Ist sie noch an der Schule?«
    »Nein. Sie ist vor eineinhalb Jahren aus familiären Gründen in den Ruhestand gegangen.«
    »Was geschah mit Bobby?«
    »Er hat sich verändert. Er hatte eine Stille an sich, die man bei Kindern nur selten sieht. Viele der Lehrer fanden das sehr entnervend.« Sie starrt in ihre Teetasse und neigt sie vorsichtig hin und her. »Als sein Vater starb, hat er sich noch mehr zurückgezogen. Es war, als würde er das Gesicht von außen an die Scheibe pressen.«
    »Glauben Sie, dass Bobby missbraucht wurde?«
    »St. Mary’s ist eine sehr arme Gegend, Professor O’Loughlin.
In manchen Haushalten ist es schon eine Form von Missbrauch, morgens einfach aufzuwachen.«
     
    Ich weiß praktisch nichts über Autos. Ich kann sie voll tanken, Luft in die Reifen und Wasser in den Kühler füllen, aber Marken, Modelle und die Dynamik moderner Verbrennungsmotoren interessieren mich nicht. Normalerweise nehme ich andere Fahrzeuge auf der Straße kaum wahr, ganz im Gegensatz zu heute. Ständig sehe ich einen weißen Transporter. Ich habe ihn am Morgen bemerkt, als ich das Albion Hotel verließ. Er parkte gegenüber. Die anderen Autos waren mit Staub bedeckt, aber auf der Windschutzscheibe und dem Heckfenster des Transporters war jeweils ein kreisrunder Ausguck freigewischt worden.
    Derselbe weiße Transporter – oder ein anderer, der genauso

Weitere Kostenlose Bücher