Adrenalin - Robotham, M: Adrenalin - The Suspect
Zeitschriften von dem Ständer gelesen und davon geträumt, zu fliehen und ein anderes Leben zu leben. Als Dad in seiner Air-Force-Uniform vorbeikam, hat er behauptet, er wäre Pilot. Etwas anderes wollten die Mädchen nicht hören. Ein kurzer Fick hinter dem Casino der Royal Air Force in Marham, und sie war mit mir schwanger. Sie fand schnell genug heraus, dass er kein Pilot war. Das war ihr, glaube ich, egal … damals jedenfalls. Später hat es sie wahnsinnig gemacht. Sie sagte, sie hätte ihn unter Vorspieglung falscher Tatsachen geheiratet.«
»Aber sie sind zusammen geblieben?«
»Ja. Dad hat die Air Force verlassen und einen Job als Busmechaniker bei London Transport angenommen. Später wurde er Schaffner auf dem 96er zum Piccadilly Circus. Er hat gesagt, er wäre halt ein ›geselliger‹ Mensch, aber ich glaube, die Uniform hat ihm auch gefallen. Er ist immer mit dem Fahrrad zum Busdepot und zurück gefahren.«
Bobby verfällt in Schweigen und hängt seinen Erinnerungen nach. Auf sanftes Nachfragen hin erzählt er mir, dass sein Vater ein Amateur-Erfinder war, der ständig Ideen für zeitsparende Geräte und Maschinen entwickelte.
»Leute reden davon, eine bessere Mausefalle zu bauen; er hat so was tatsächlich gemacht.«
»Und was hielt deine Mutter davon?«
»Sie hat gesagt, er würde seine Zeit und ihr Geld verschwenden. In einer Minute nannte sie ihn einen Träumer und lachte über seine ›dummen Erfindungen‹, in der nächsten warf sie ihm vor, dass seine Träume und sein Ehrgeiz nicht groß genug wären.«
Er blinzelt hektisch und sieht mich mit seinen seltsam blassen Augen an, als hätte er den Faden verloren. Dann fällt es ihm plötzlich wieder ein.
»Sie war die eigentliche Träumerin. Sie hielt sich für einen Freigeist, der von langweiliger Mittelmäßigkeit umgeben war. Und so sehr sie sich auch anstrengte, in einem Viertel wie Hendon konnte man kein Bohème-Leben führen. Sie hasste es: die Häuser mit den schmucklosen Kieselrauputzfassaden, die Netzgardinen, billige Kleidung, schmierige Cafés und Gartenzwerge. Die Arbeiter sagen immer, dass man sich ›nach der Decke strecken muss‹, aber das verachtete sie. Sie sah nur das Kleine, Unbedeutende und Hässliche.«
Er ist in einen müden Rhythmus verfallen, als hätte er die Geschichte schon zu oft erzählt.
»Abends hat sie sich meistens schick gemacht und ist ausgegangen. Ich habe auf dem Bett gesessen und zugesehen, wie sie
sich fertig gemacht hat. Sie probierte verschiedene Sachen an – und lief für mich darin Modell. Ich durfte den Reißverschluss an ihrem Rock hochziehen und ihre Strümpfe glatt streichen. Sie nannte mich ihren kleinen großen Mann.
Wenn Dad sie nicht ausführen wollte, ging sie alleine – in die Kneipe oder den Club. Sie hatte ein bösartiges Lachen, das jedem verkündete, dass sie da war. Männer drehten sich nach ihr um. Sie fanden sie sexy, obwohl sie eher plump war. Sie war die Pfunde, die sie während der Schwangerschaft zugenommen hatte, nie wieder ganz losgeworden. Dafür gab sie mir die Schuld. Und wenn sie tanzen ging oder zu heftig lachte, machte sie sich manchmal in die Hose. Das war auch meine Schuld.«
Den letzten Satz sagt er mit zusammengebissenen Zähnen, während er an der lockeren Haut auf seinem Handrücken knibbelt und sie schmerzhaft verdreht, als wollte er sie abreißen. Nachdem sein Körper sich gefügt hat, setzt er wieder an.
»Sie hat weißen Perlwein getrunken, weil es aussah wie Champagner. Und je betrunkener sie war, desto lauter wurde sie. Sie fing an, Spanisch zu reden, weil sie fand, dass sich das sexy anhörte. Haben Sie je eine Frau Spanisch sprechen hören?«
Ich nicke und denke an Julianne.
»Wenn Dad sie ausführte, verdarb ihr das ihren Auftritt. Männer flirten nicht mit Frauen, deren Ehemann am selben Tresen steht. Wenn sie alleine war, war sie von ihnen umzingelt, ließ sich Arme um die Hüfte legen und in den Hintern kneifen. Sie blieb die ganze Nacht aus und kam erst morgens früh nach Hause, ihre Unterhose in ihrer Handtasche und die Schuhe an ihrem Finger baumelnd. Es gab nie auch nur den Anschein von Treue oder Loyalität. Sie wollte nicht die perfekte Ehefrau sein. Sie wollte jemand anderes sein.«
»Was war mit deinem Dad?«
Es vergeht eine ganze Weile, bis er die Antwort gefunden hat, die er sucht. »Er wurde jeden Tag kleiner. Er verschwand Stück für Stück. Tod durch tausend Stiche. Ich hoffe, dass sie so stirbt.«
Der Satz hängt in der Luft,
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