Adrenalin - Robotham, M: Adrenalin - The Suspect
Ballett gehen oder Tennis spielen. Sie sieht absolut makellos aus in ihrem langen schwarzen Kapuzenmantel und den Gummistiefeln, als sie erklärt, dass sie noch nie ein spannenderes Sportereignis verfolgt habe. Die Tatsache, dass sie es ein »Sportereignis« nennt, bezeugt, wie selten sie Fußball guckt.
Eltern packen ihre Kleinen warm ein und verstauen schlammige Schuhe in Plastiktüten. Als ich über den Platz blicke, fällt
mir ein Mann auf, der mit den Händen in den Manteltaschen alleine auf der anderen Seite steht. Ich erkenne die Silhouette.
»Was bringt Sie so früh an einem Samstag auf die Beine, Detective Inspector? Doch nicht etwa das sportliche Training.«
Ruiz blickt in Richtung des Jogger-Pfads. »Ich finde, es gibt schon genug keuchende Menschen in dieser Stadt.«
»Woher wussten Sie, wo Sie mich finden würden?«
»Von Ihren Nachbarn.«
Er packt ein Bonbon aus, steckt es in den Mund und lässt es an seine Zähne klappern.
»Wie kann ich Ihnen behilflich sein?«
»Wissen Sie noch, was ich Ihnen bei unserem gemeinsamen Frühstück erzählt habe? Ich sagte, wenn sich herausstellt, dass das Opfer die Tochter eines Prominenten ist, kriege ich vierzig Detectives statt zwölf.«
»Ja.«
»Wussten Sie, dass Ihre kleine Krankenschwester die Nichte eines konservativen Parlamentsabgeordneten und Enkelin eines Bezirksrichters war?«
»Von dem Onkel habe ich in der Zeitung gelesen.«
»Ich bin umzingelt von Hyänen, die mir Fragen stellen und Kameras vors Gesicht halten. Es ist ein beschissener Medienzirkus. «
Darauf kann ich nichts sagen, also starre ich an ihm vorbei Richtung Londoner Zoo und lasse ihn weiterreden.
»Sie sind doch einer von den schlauen Jungs, oder? Studium, Doktortitel, Leiter der Abteilung… ich dachte, dass Sie mir hierbei vielleicht weiterhelfen könnten. Ich meine, Sie kannten das Mädchen, richtig? Sie haben mit ihr gearbeitet. Deshalb dachte ich mir, dass Sie vielleicht irgendwelche Erkenntnisse darüber hätten, in was sie verwickelt gewesen sein könnte.«
»Ich kannte sie nur als Patientin.«
»Aber sie hat mit Ihnen geredet. Sie hat Ihnen von sich erzählt. Was ist mit Freundinnen oder Freunden?«
»Ich glaube, dass sie sich mit einem Mitarbeiter des Krankenhauses getroffen hat. Er war möglicherweise verheiratet, weil sie nicht über ihn sprechen wollte.«
»Hat sie je einen Namen erwähnt?«
»Nein.«
»Glauben Sie, dass sie viele wechselnde Partner hatte?«
»Nein.«
»Was macht Sie so sicher?«
»Ich weiß nicht. Es ist nur so ein Gefühl.«
Er wendet sich ab und nickt Julianne zu, die plötzlich neben mir auftaucht und sich bei mir einhakt. Sie hat die Kapuze hochgeschlagen und sieht aus wie eine Nonne.
»Das ist Detective Inspector Vincent Ruiz, der Polizeibeamte, von dem ich dir erzählt habe.«
Sie runzelt sorgenvoll die Stirn. »Geht es um Catherine?« Sie schlägt die Kapuze zurück.
Ruiz sieht sie an wie die meisten Männer. Kein Make-up, kein Parfüm, kein Schmuck, und trotzdem dreht man sich nach ihr um.
»Interessieren Sie sich für die Vergangenheit, Mrs. O’Loughlin? «
»Kommt drauf an«, erwidert sie zögernd.
»Kannten Sie Catherine McBride?«
»Sie hat uns viel Kummer bereitet.«
Ruiz’ Blick zuckt zu mir, und mein Mut sinkt.
Julianne schaut mich an und erkennt ihren Fehler. Charlie ruft sie. Sie dreht sich um und wendet sich dann wieder Ruiz zu.
»Vielleicht sollte ich zunächst mit Ihrem Mann reden«, sagt er langsam. »Bei Bedarf kann ich Sie ja jederzeit aufsuchen.«
Julianne nickt und drückt meinen Arm. »Ich gehe mit Charlie einen heißen Kakao trinken.«
»Okay.«
Wir sehen ihr nach, wie sie anmutig zwischen den Pfützen
über das schlammige Feld schreitet. Ruiz legt den Kopf zur Seite, als wollte er etwas lesen, was hochkant auf dem Revers meiner Jacke geschrieben steht.
»Was hat sie gemeint?«
Er wird mir kein Wort glauben.
»Catherine hat mich beschuldigt, ich hätte sie unter Hypnose sexuell missbraucht. Sie hat die Anschuldigung bereits wenige Stunden später zurückgezogen, aber die Sache musste trotzdem untersucht werden. Es war alles ein Missverständnis.«
»Wie kann man so etwas missverstehen?«
Ich berichte ihm, wie Catherine meine professionelle Sorge mit einem intimeren Gefühl verwechselt hatte – von dem Kuss und ihrer Verlegenheit. Ihrer Wut.
»Sie haben sie abgewiesen?«
»Ja.«
»Und deshalb hat sie Sie beschuldigt?«
»Ja. Ich habe erst davon erfahren, als sie die Anschuldigung bereits
Weitere Kostenlose Bücher